Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone
nicht aus Rechthaberei. Tamara kämpfte um mich. Und um mich für sich zu bewahren, setzte sie alle Mittel ein.
Rank, schlank, groß und geschmeidig stand sie vor mir, Verkörperung aller weltlichen Schönheit, mit blitzenden Augen, in denen die Stimmungen so rasch wechselten wie das Wetter im April. Und mit jeder Bewegung, mit jedem Lidzucken war sie sich ihrer Wirkung auf mich bewußt .
Alles, was sie nun tat, war darauf angelegt, von mir begehrt zu werden. Selbst eine ägyptische Mumie hätte bei diesem Anblick unkeusche Gefühle bekommen.
„Mark, so geht das nicht. Du bist dabei, dich systematisch umzubringen. Du tust das mit einer Waffe, wie sie tödlicher nicht sein könnte -mit der Zeit."
Und als ich mir den Kopf noch nach einer geistreichen Erwiderung zerbrach, fügte sie hinzu:
„Ich werde es dir beweisen. Komm zu mir in fünf Minuten!"
Als sie mich verließ, stand mein Entschluß schon fest. Das war eine Herausforderung, und ich würde sie annehmen. Die Fesseln waren gefallen. Ich war gefeit. Ein Gefühl, das aus fremden Tiefen meines Wesens stieg, gab mir Sicherheit und Stärke.
Bevor ich Tamara folgte, überprüfte ich rasch noch den Kurs.
Unbeirrt zog die SCOUT ihrem unsichtbaren Ziel in der großen Einöde entgegen, diesem Ziel mit der nichtssagenden Bezeichnung ISS 113. Das war der erste Schritt.
Der zweite sollte mir mit etwas Glück einfallen, sobald ich dort war. Auch ein Monster wie Malus mußte eine schwache Stelle haben. Auch ein Monster wie Malus mochte Fehler machen. Und sein größter Fehler würde der sein, sich nicht hineinversetzen zu können in jemand, der wie ich bereit war, für Ruth das Leben zu geben. Mit diesem Gedanken berührte ich die Kombination an der goldenen Kette, und der Ansturm des starken Gefühls wurde zum Orkan. Dann ging ich.
Ich setzte den Fuß über das Süll und blieb verwirrt stehen. Auf dem weißen Laken leuchteten Tamaras Lippen wie samtrote Kissen. Als rabenschwarzer Wasserfall ergoß sich das Haar über das Lager bis hinab auf den Fußboden, wo auf einem silbernen Tablett eine einsame Kerze brannte und in den mich erwartenden Augen Tausende von glitzernden Brillantsplittern bildete. Tamara war nackt.
Mit einer kleinen Handbewegung forderte sie mich auf, mich zu ihr zu setzen. Ich gehorchte, aber ich achtete peinlich darauf, sie nicht zu berühren.
„Mark", die roten Lippen formten die Anrede wie ein Kunstwerk, „du bist ein Narr."
Ich überging es mit Schweigen. Sie fuhr fort:
„Du glaubst mir nicht? Dann sieh dir die Kerze an. Sie ist jetzt dein Spiegelbild. Sieh sie dir gut an! Siehst du sie?"
„Schon wieder eine blöde Frage! Natürlich sehe ich sie. Ich bin ja nicht blind." Und etwas sanfter fügte ich hinzu: „Was versprichst du dir von diesem Idiotentest? Du hast von einem Beweis gesprochen."
Ihre Handbewegung bat um Geduld.
„Ich sagte: Sieh genau hin! Und dann sag mir, ob dir etwas auffällt."
Irgendetwas an dieser Fragestellung weckte mein Mißtrauen . Ich fragte zurück:
„Was zum Teufel soll mir schon auffallen? Eine Kerze ist eine Kerze."
Sie quittierte meinen Ausfall mit einem mitleidigen Kopfschütteln.
„Mark, du siehst es nicht, weil du ein unverbesserlicher Narr bist. Nun, ich werde dir die Augen öffnen. Du siehst den hellen Schein, den die Flamme wirft. Du siehst Licht." Die glitzernden Brillantsplitter in ihren Augen lenkten mich mehr und mehr von der mir gestellten Aufgabe ab. Ich mußte mich zwingen, Tamaras nächsten Worten zu lauschen. Sie sagte: „Wenn du die Kerze als dein Spiegelbild siehst, ist das Licht, das sie spendet, so viel wie dein Leben. Ist das so?"
Die Argumentation war logisch. Ich nickte.
„Von mir aus."
Tamara ergriff meine Hand und näherte sie der Flamme.
„Spürst du, Mark? Die Kerze verbreitet auch Wärme."
„Ich spüre", gab ich zu.
Tamara gab meine Hand frei.
„Mark, wenn du in der Kerze dein Spiegelbild siehst, dann ist die Wärme, die sie verbreitet, so viel wie Liebe. Kannst du mir noch immer folgen?"
„Kann ich. Und was weiter?"
„Du wolltest den Beweis. Nun -" Tamara warf plötzlich die Arme um mich, und meine Stirn sank zwischen ihre Brüste.
„Mark, oh Mark!" murmelte sie. „Hör auf, ein Narr zu sein. Nimm, was du bekommen kannst! Nimm es jetzt."
Wo blieb mein seelische Rüstzeug, wo mein Vorsatz, ihr zu widerstehen? Ich dachte an Ruth, aber ich genoß diesen anderen Leib, der sich mir so hemmungslos anbot - bis irgendwann das Licht unruhig wurde und erlosch
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