Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
hat die Summe angenommen. Eine legal erfolgte Überweisung anzunehmen ist kein Straftatbestand. Das kann ihm niemand vorwerfen.«
Leonidis erläutert das Ganze seinem aufmerksam lauschenden Mandanten. Dann meint Okamba zu mir: »Bei der letzten Überweisung stand etwas unter Verwendungszweck.«
»Und was?«
»>Von einem Freund<.«
»Das war alles?«
»Ja, das war’s.«
»Kam danach noch eine Botschaft?«
Wieder zögert er. »Ein paar Tage später habe ich einen Anruf erhalten. Eine Stimme fragte, ob ich mich über die Summe gefreut hätte.«
»Eine männliche oder eine weibliche Stimme?«
»Es war ein Mann.«
»Was hat er noch gesagt?«
»Dass er meine Geschichte kennt und dass mir Unrecht geschehen ist. Danach hat er mich gefragt, ob ich mit meiner Arbeit zufrieden sei. Ich meinte, ja, sehr, und dass ich Herrn Sissimopoulos dankbar sei. Da wollte er wissen, wie Herr Sissimopoulos sein Rentnerdasein verbringt. >Mit Gartenarbeit<, habe ich ihm gesagt, und dann habe ich ihm auf seine Frage hin erzählt, wann normalerweise Herr Sissimopoulos sich im Garten aufhielt.«
Auf diese Weise kam der Mörder also an die gewünschten Informationen. So einfach war das. »Ist Ihnen nach dem Mord gar nicht bewusst geworden, dass der Mörder Sie nach Sissimopoulos’ Gewohnheiten ausgefragt hat?«
»Aber nein«, ruft er erschrocken, »kein bisschen! Es fällt mir überhaupt erst auf, weil Sie darauf hinweisen. Herr Sissimopoulos und seine Kinder haben mir nur Gutes getan. Ich hätte Herrn Sissimopoulos niemals etwas antun können, das schwöre ich.«
»Das glaube ich Ihnen«, sage ich kurzerhand.
Plötzlich fährt Leonidis wutentbrannt von seinem Stuhl hoch. »Und warum habe ich von alldem nichts gewusst?«, schreit er Okamba an. »Wieso haben Sie das vor mir verheimlicht?«
Da Leonidis freiwillig die Rolle des bösen Buben übernommen hat, darf ich für einmal den sympathischen Bullen mimen: »Weil keiner ihn danach gefragt hat, Herr Rechtsanwalt. Die letzte Vernehmung hat sich ganz auf die Terrorismusthese konzentriert, und meine Kollegen haben versucht, seine Mittäter zu eruieren, die es gar nicht gab. Er erzählt das erst jetzt, weil sich die Befragung heute um ganz andere Themen dreht.«
Leonidis setzt sich besänftigt wieder hin, und so kann ich mir Okamba wieder vornehmen, der den Kopf in die Hände vergraben hat.
»Eine letzte Frage noch, Herr Okamba. Hat der Mann am Telefon englisch mit Ihnen gesprochen?«
»Ja.«
»Und wie gut war sein Englisch? Redete er wie ein Muttersprachler?«
»Nein, so wie Herr Sissimopoulos.«
Zweifelsohne ist der Täter ein Grieche. Nun wende ich mich an beide: »Das wär’s dann. Jetzt drucken wir noch das Vernehmungsprotokoll aus, damit Sie es beide durchlesen können, und Herr Okamba zeichnet es ab. Dann kann er nach Hause gehen.«
Mandant und Rechtsanwalt blicken mich beide erleichtert an, Okamba allerdings sitzt da wie ein Häufchen Elend.
»Diesen unbekannten Anrufer könnten Sie durch eine Überprüfung der Telefonverbindungen von Sissimopoulos’ Nummer ausfindig machen«, meint Leonidis.
»Werde ich versuchen, aber wir finden bestimmt nichts.«
»Wieso nicht?«
»Weil er wahrscheinlich von einer Telefonzelle aus angerufen hat.«
Zum Abschied erhebe ich mich. »Ich habe viel Gutes über Ihre Tochter gehört, Herr Kommissar«, sagt Leonidis, als er mir die Hand drückt.
»Über meine Tochter? Von wem?«
»Rechtsanwalt Seimenis ist ein guter Freund und Kollege von mir. Vor ein paar Tagen hat er Ihre Tochter in den höchsten Tönen gelobt.«
Normalerweise kommen die schlimmen Nachrichten immer alle auf einmal und die guten nur tröpfchenweise. Der heutige Tag beweist, dass es auch anders sein kann.
44
Mit einem breiten Grinsen stürmt Dermitsakis in mein Büro. »Es war Varoulkos, er hat die Aufkleber verteilt«, meint er. »Die Jungs haben ihn auf Anhieb wiedererkannt.«
Das überrascht mich kaum. Mit erstaunlicher Großzügigkeit bezahlt der Drahtzieher der Kampagne die von ihm beauftragten Leute.
Varoulkos und die Sgouridou habe ich für den Nachmittag zur selben Zeit ins Präsidium bestellt, weil ich eine Gegenüberstellung plane. Da es bis dahin noch eine Stunde dauert, will ich mich noch ein wenig auf meine Fragen in der Vernehmung vorbereiten. Doch ich habe die Rechnung ohne den Wirt, sprich Gikas, gemacht.
»Der Herr Kriminaldirektor möchte Sie dringend sprechen«, gibt mir Stella Bescheid.
Als ich sein Büro betrete, wird mir sofort klar,
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