Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
warum die Sache eilt. Dort sitzt nämlich der Geschäftsträger der niederländischen Botschaft.
»Herr Sjiffel wollte sich nach dem Fall erkundigen«, erläutert mir Gikas.
Zwar könnte er als mein Vorgesetzter die Sache auch alleine bewältigen, aber in solchen Fällen braucht er mich dann doch - mal als seelischen Beistand, mal, um die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Aber ich fühle mich überhaupt nicht berufen, Sjiffel Bericht zu erstatten, da ich den Mörder noch nicht kenne und ihm auch unsere Ergebnisse nicht erzählen darf.
»Die Ermittlungen sind auf einem guten Weg, Herr Sjiffel«, gebe ich schwammig von mir. »Seit unserem letzten Treffen sind wir ein ganzes Stück weitergekommen, und wir hoffen, die Schuldigen in den nächsten Tagen festzunehmen.«
»Die Familie von Henryk de Moor, wissen Sie, übt ziemlichen Druck auf uns aus.«
»Ich verstehe Ihre Lage. Auch wir stehen unter Druck und würden die Sache lieber heute als morgen zu Ende bringen, doch die Erhebungen brauchen auch im günstigsten Fall ihre Zeit.«
»Leider Gottes lebt de Moors Familie nicht in Griechenland. Daher weiß sie auch nicht, dass die Griechen zwar zur Eurozone gehören, aber einen ganz anderen Zeitbegriff als die übrigen Europäer haben. Ihr verwendet zwar dieselbe Währung, aber die Uhren gehen hier vollkommen anders.«
Wir reagieren beide genau gleich auf seine Bemerkung: Wir werfen Sjiffel einen giftigen Blick zu, so dass er sofort zurückrudert.
»Tut mir leid, war nur ein Scherz.«
Das Gute an den Europäern ist, dass sie mit den Entschuldigungen immer schnell bei der Hand sind, ob es sich nun um eine Beleidigung oder um Völkermord handelt.
»Es lohnt sich, Geduld zu haben«, meint Gikas nun gelassen. »Das voreilige Vorgehen der Briten in Robinsons Fall hat uns - anstatt uns voranzubringen - auf eine falsche Fährte gelockt, wodurch wir viel Zeit verloren haben.«
»Vielleicht haben Sie recht, aber in der Situation, in der sich Griechenland heute befindet, schadet jeglicher Verzug dem Image des Landes. Bisher sind alle Kontakte über unsere Botschaft gelaufen, aber ich bin nicht sicher, ob nicht morgen schon die Außenministerien beider Länder involviert sein werden.«
Falls er meint, Gikas damit Angst einzujagen, hat er sich geschnitten, denn der hebt gleichmütig die Schultern. »Wir sind Polizeibeamte, Herr Sjiffel, und keine Diplomaten. Wenn das niederländische Außenministerium mit einer Diplomatischen Note vorstellig wird, wird sie bestimmt an uns weitergeleitet, doch die offizielle Antwort wird nicht anders lauten als die, die Sie gerade von uns bekommen haben. Sie können sicher sein, dass der zuständige Minister momentan auch nicht mehr weiß.«
Sjiffel begreift, dass er nicht mehr aus uns herausbekommt, und erhebt sich zum Abschied. Notgedrungen gibt er sich mit Gikas’ Versicherung zufrieden, ihn persönlich anzurufen, sobald sich etwas Neues ergebe.
»Wir müssen sofort den Minister benachrichtigen«, meint Gikas zu mir, »damit ihm nicht plötzlich eine Diplomatische Note die Laune verdirbt.«
»Geben Sie mir etwas Zeit, bis ich mit der Vernehmung von Stefanos Varoulkos und Eftychia Sgouridou fertig bin.«
»Was ist mit Okamba?«
Ich berichte ihm, was bei der Befragung herauskam, und er muss sich erst einmal von seiner Überraschung erholen. »Auf diese Weise hat er herausgekriegt, wann Sissimopoulos im Garten war?«
»Ja, mit zwei kleinen Fragen.«
»Ich warte, bis Sie mit der Vernehmung fertig sind, egal um welche Uhrzeit. Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Die Sgouridou und Varoulkos sind im Präsidium eingetroffen. »Habt ihr sie in getrennte Büros geführt?«, frage ich Vlassopoulos.
»Selbstverständlich.«
»Schön, dann lasst sie noch ein wenig schmoren.«
Ich lege mir die Bilder von Varoulkos und insbesondere die von Stratos bearbeitete Aufnahme der Sgouridou zurecht. Dann lasse ich mir die beiden gemeinsam in den Vernehmungsraum bringen.
Die Sgouridou rauscht als Erste herein und geht sofort zum Angriff über.
»Darf ich erfahren, warum Sie mich auf diese Art und Weise hierherverfrachten?«, protestiert sie. »Ein Glück, dass man mir keine Handschellen angelegt hat! Wollen Sie mich beruflich ruinieren, Herr Kommissar? Sie können mich doch nicht wie eine Verbrecherin abführen!«
Kaum ist ihr Redeschwall versiegt, tritt Dermitsakis mit Varoulkos in den Vernehmungsraum. Beide mustern einander erstaunt, aber grußlos.
»Kennen Sie sich?«, frage ich die
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