Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
ein. Sie lässt die Begrüßung weg und fragt mich ohne Umschweife, was los sei.
»Ich werde Ihnen jetzt etwas zeigen, was Ihnen nicht sehr gefallen wird, Frau Saratsoglou, aber es muss sein.«
Sie ist offensichtlich vorbereitet, denn sie folgt mir wortlos in die erste Etage. Sobald sie die Aufnahmen an der Ikonenwand sieht, ruft sie aus: »Zoe und Minas! Sie sind das Paar auf der Fotografie! Die anderen kenne ich nicht.« Sie wendet sich um und blickt mich fragend an: »Gehörte die Aufnahme Maria? Woher hatte sie sie, Herr Kommissar?«
»Keine Ahnung, sie hatte sie jedenfalls bei sich.«
Ihre Reaktion beim Anblick der Aslanidou ist zwar beherrschter, doch ähnlich wie die der Lazaridou. Erst beim Verlassen des Zimmers bricht es aus ihr heraus: »Das hat sie verdient! Gott vergib mir, aber das hat sie verdient!« Sie wendet sich mir zu, da sie das Bedürfnis verspürt, mir ihren Ausbruch zu erläutern. »Ich habe studiert, Herr Kommissar. Ich bin Lehrerin, jahrelang habe ich Schüler und Schülerinnen unterrichtet. Ich glaube nicht an Selbstjustiz, aber ich glaube an göttliche Gerechtigkeit.«
»Es ist nicht nötig, dass Sie mich nach Giresun begleiten«, meint Murat, als die Saratsoglou sich verabschiedet hat. »Sie haben ohnehin alles in Ihrer Macht Stehende getan.«
Er hat recht, und dennoch will ich mitfahren. Nicht weil ich glaube, dass mir der türkische Kollege ein Bein stellen will, wie Gikas meint, noch weil ich fürchte, dass mir die Türken im letzten Moment in den Rücken fallen werden, wie Despotopoulos glaubt. Ich will die Frau einfach kennenlernen, die im unteren Stockwerk fromm ein Öllämpchen entzündet und im oberen Stockwerk gnadenlos einen Mord begeht.
* 29
Da sitze ich nun im Flugzeug, doch die Reise geht nicht nach Athen, sondern nach Trabzon. »Fasten your seat belts, please« war jedoch schon vorher das Gebot der Stunde gewesen, da mir aufgrund ehelicher Turbulenzen eine steife Brise ins Gesicht blies.
»Also so was, jetzt hast du jedes Augenmaß verloren«, brach es aus Adriani heraus, als sie erfuhr, dass ich nach Kerasounta fliegen wollte. »Wir sind dir alle piepegal, sowohl deine Tochter als auch ich, genauso wie Fanis und seine Eltern. Du hast nur diese Kinderfrau im Kopf. Hätte ich gewusst, dass uns diese Maria über den Weg laufen würde, hätte ich einen Urlaub am Amazonas gebucht.«
Ich beschwichtigte sie in gemäßigtem Ton, weil mir klar war, dass ich Dreck am Stecken hatte. »Deine Sorge ist unbegründet. Spätestens am Sonntagabend bin ich wieder zurück. Vielleicht auch schon früher.«
»Das ist deine Sache, wann du wieder hier bist. Ich erkläre hiermit nur, dass ich Montag früh ins Flugzeug der Olympic Airlines steige und nach Athen zurückkehre. Ob allein oder in Begleitung, hängt von dir ab.«
Und damit würgte sie jede weitere Diskussion ab und wünschte mir auch keine gute Reise für den Flug nach Trabzon.
Trotz der ehelichen Turbulenzen konnte ich zeitgerecht Markos Vassiliadis benachrichtigen, nachdem ich mich vorab mit Murat verständigt hatte. »Maria Chambou wird Hilfe brauchen«, sagte ich zu ihm. »Wenn wir sie festnehmen, muss jemand einen Rechtsbeistand organisieren und sie im Gefängnis besuchen. Und wenn sie bald sterben sollte, muss sich jemand um das Begräbnis kümmern. Die Lazaridou kann das unmöglich alles übernehmen.«
So sitzt nun Markos Vassiliadis zwei Sitzreihen vor uns und blickt aus dem Fenster. An meiner Seite hat Murat die Augen geschlossen, und es sieht aus, als sei er eingenickt. Da ich einen Gangplatz habe, kann ich nicht aus dem Fenster schauen und genauso wenig eindösen, da mir - trotz meiner Versicherungen Adriani gegenüber - die Angst im Nacken sitzt, Katerinas Hochzeit zu verpassen.
Kurz nach der Landung zieht Murat die Augenlider halb hoch und lächelt mir zu. »Ich mag Flugzeuge nicht«, meint er. »In der Luft fühle ich mich unsicher, daher verlege ich mich aufs Schlafen.«
Glücklicherweise haben wir kein Gepäck und wenden uns direkt dem Ausgang zu. Ich habe nur mein Rasierzeug und meine Zahnbürste eingepackt, vor allem um Adriani zu überzeugen, dass die Reise tatsächlich nur ein Abstecher sein würde. Was mir nicht gelungen war. Sie hatte nur einen verächtlichen Blick für mich übrig gehabt und geätzt: »Hemden und Unterhosen gibt's überall zu kaufen, auch am Ende der Welt in Trabzon!«
Am Ausgang erwartet uns ein höherer
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