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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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finster, kaum dass man erkennen kann, wer neben einem steht. Das laute Palaver ist vorbei. Sie schweigen und schauen aufs Wasser. Man sieht fast nichts außer den schwarzen Ästen, die an manchen Stellen herausschauen. Aber sie wissen alle, wo der Schuh ist. Sie meinen, ihn die ganze Zeit zu sehen. Mit einem Mal kommt der Schuh näher. Daneben wird die Spitze eines zweiten Schuhs sichtbar. Jetzt nehmen sie unter der Wasseroberfläche ein bleiches Gesicht wahr. »Das halt ich nicht aus«, stöhnt einer von den Jungs.
    Eine Flasche wandert von einem zum anderen, scharfes Zeug mit sicher vierzig Prozent. Ein Wunder, dass noch nicht alle Flaschen leer sind. Einer von den anderen hebt ein abgesägtes Stück Baumstamm vom Boden auf und wirft es ins Wasser. »Nicht«, sagt eines der Mädchen, vermutlich Anna. Da, wo vorher die Schuhe rausgeguckt haben, ist nur noch das Holz zu sehen. Es ist, als wären die Schuhe nie da gewesen.
    Nun nimmt ein anderer einen dicken Ast und schmeißt ihn dorthin. Plötzlich haben sie alle irgendwas in den Händen, und alles fliegt ins Wasser, dass es nur so klatscht und spritzt. Ein fauliger Geruch steigt von dort auf, und einer sagt: »Das ist die Leiche.« Sie wissen, dass es nur der Modergeruch des aufgewühlten Schlamms ist, und trotzdem ist es der Moment, in dem alle sich umdrehen, hektisch die Flaschen, Dosen und Tüten einsammeln, mit den Handys den Boden ableuchten, damit sie nichts zurücklassen, und den Hang hoch zum Waldweg stürzen. Sie laufen, bis sie keuchen, zur ersten Straße, der Villiper Allee.
    »Als wir geschnallt hatten, dass es ein Toter war«, flüsterte Sarah ins Handy, »haben wir ihn versenkt.«
    »Hmm …«
    »Findest du das nicht schlimm?«
    »Ist er tief?«
    »Der Weiher? Weiß nicht. Jedenfalls hat man nichts mehr gesehen.«
    »Haben die Bullen ihn nicht gefunden?«
    »Doch, die Hunde. Später haben wir es dann gehört.«
    »Was?«
    »Er war nicht tot, als er ins Wasser gerutscht ist.«
    »Ach so.«
    »Er war nur bewusstlos. Hatte einen Herzanfall oder so was und ist mit dem Kopf auf die Steine geknallt. Da, wo der Überlauf vom Weiher ist.«
    »Kenn mich da nicht aus.«
    »Das war aber nicht die Todesursache.«
    »Nee?«
    »In der Rechtsmedizin haben sie festgestellt, dass er ertrunken ist.«
    »Ah.«
    Das Ah gefiel Sarah nicht.
    »Weißt du, was das heißt? Wir haben ihn umgebracht!« Sie schrie es heraus. Erschrocken blickte sie sich um. Gott sei Dank, die Straße war menschenleer, und gegenüber war nur die Bretterwand einer Baustelle. »Wir haben ihn getötet«, fügte sie leiser hinzu.
    Bei Yannick knarrte das Bett. Und wieder. Und wieder. Rhythmisch.
    »Yannick?«
    »Joah?«
    »Bist du nicht allein?«
    »Doch.«
    Im Hintergrund ertönte ein Kichern, gefolgt von schwächerem Quieken, als lache jemand ins Kissen.
    Es traf Sarah wie Eisregen mit Sturm auf einem Gletscher, der unter ihr wegrutschte, alles zugleich. Sie hatte es nicht kommen sehen. Hastig drückte sie die rote Taste und heulte auf. Warum war sie so bescheuert gewesen? Wieso hatte sie mit dem was angefangen? Und warum, verdammte Kacke, hatte sie nicht die Schnauze gehalten? Warum hatte sie nicht gerafft, dass er total der Falsche war? Verknallt zu sein war schlimmer als besoffen!
    Und die dumme Gans, die mit ihm rummachte, wusste nun auch Bescheid. Sarah horchte dem Kichern nach, das sie noch im Kopf hatte. Wer war das? Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Ich komm noch drauf, dachte sie.
    * * *
    Langsam ging Pilar die Stufen hinab. Vom Treppenabsatz aus sah sie, wie der Türspalt in der ersten Etage sich schloss. Der Seifenduft war stärker geworden, eine Art Rosenduft. »Nölles« stand auf dem Schild neben der Klingel. Vermutlich stand jemand im Nachthemd hinter der Tür. Pilar ging schneller. Die letzte Biegung, die letzte Treppe, die acht gleichen Briefkästen. Sie war froh, wieder auf die Straße zu gelangen und die kalte Nachtluft tief in ihre Lunge ziehen zu können.
    Das Katzenschnurrhaar! War die Fischmann die Mörderin ihres Katers? Ob man in solchen Fällen eine DNA -Analyse machte? Katzen- DNA ? Was würde Richy dazu sagen? Pilar erreichte die lange Treppe unter den hohen Bäumen und stieg zur Unterführung hinunter. Auf der letzten Stufe blieb sie stehen, ernüchtert, als hätte Richard bereits gesprochen: Mit Sicherheit gab es in der Gegend viele Katzen mit zweifarbigen Schnurrhaaren, und eine von ihnen hatte ihren Kopf an Frau Fischmanns Arm gerieben, wobei sich ein Barthaar

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