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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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Dirk«, gab Pilar grimmig zurück. »Das ist bereits geschehen. Nur dass der Eindringling nicht so höflich war zu klingeln, wie ich es tun werde.« Sie angelte ihren Mantel vom Haken und hängte ihn sich um. Die Prozedur des vorsichtigen Anziehens war ihr zu langwierig. Sie schlüpfte in Straßenschuhe und nahm den Haustürschlüssel vom Brett. »Sagst du mir, wo sie wohnt?«
    Holzbeisser blickte sie stumm an.
    »Oder muss ich im Telefonbuch nachsehen?«
    »Ich komme mit«, brummte er. »Soll ich fahren?«
    »Ich möchte zu Fuß gehen.«
    Die ersten Meter gingen sie schweigend nebeneinanderher. Wind war aufgekommen und blies ihnen ins Gesicht. Die kleinen Lichter in den Vorgärten kamen Pilar vor wie vielfacher Hohn. Eine besinnliche Adventszeit , hatte ihr ihre Kusine auf einer Postkarte gewünscht.
    Holzbeisser hustete ab und zu. Pilar schielte zu ihm hinüber, um in seinem Gesicht zu forschen. Er schien nicht gemerkt zu haben, dass sie ihrer Sache keineswegs sicher war. Und sie fragte sich immer noch, ob sie ihm zu Unrecht vertraute, nur weil er anständig, gebildet und sympathisch wirkte. War es leichtsinnig, in tiefster Nacht an seiner Seite durch schlecht beleuchtete Straßen zu gehen?
    Dirk Holzbeisser räusperte sich. »Ich muss dir etwas sagen, Pilar.«
    »Ja – was?« Vor Aufregung war es ein Flüstern geworden.
    »Geh bitte behutsam mit ihr um.«
    »Behutsam?«, rief Pilar ohne Rücksicht auf die schlafenden Nachbarn in den Häusern links und rechts von ihnen. »So wie die Dinge stehen, hat sie es nicht verdient!«
    »Was ich von deiner Vermutung halte, weißt du. Aber du weißt nicht, was sie durchgemacht hat. Sie hat mehrere Trennungen hinter sich und jede einzelne schlecht verkraftet. Nach der letzten war sie richtig am Boden.«
    Pilar blieb so abrupt stehen, dass der Schmerz ihr Tränen in die Augen trieb. »Was sagst du da?«
    »Ihr Mann hat sie mit Beleidigungen und Demütigungen zermürbt«, sagte Holzbeisser, ohne stehen zu bleiben, »und auf niederträchtige Art aus seinem Haus auf dem Venusberg vertrieben, damit seine Geliebte einziehen konnte.«
    Pilar beeilte sich, ihn wieder einzuholen. »Mir hat sie erzählt, ihr Mann arbeite auswärts und kümmere sich rührend um sie!«
    Er nickte. »Das habe ich auch von anderen gehört. Vielleicht wäre es leichter für sie, wenn sie Kinder hätte.«
    »Was ist mit dem Sohn in Kanada?«
    »Sie hat keinen Sohn.«
    Pilar zog den Mantel fester um sich. Sie hatte es noch im Ohr: jeden Tag ein Anruf von dem Sohn in Kanada. Ein Bildband, als sie krank war. Es hatte so gut gepasst. Sie musste an Miguel aus Sevilla denken. Den und seine glühenden Briefe hatte sie als junges Mädchen erfunden, weil alle ihre Freundinnen schon mit Jungs zusammen waren. Wie schlecht musste es einer erwachsenen Frau gehen, wenn sie Mann und Sohn erfand!
    »Sie hat keine Familie, keine nahen Verwandten«, sagte Holzbeisser. »Ich hatte jahrelang keinen Kontakt zu ihr, bis sie mich angerufen hat, weil sie eine Wohnung in Kottenforst-Nähe suchte. Das dürfte ein Jahr her sein. Im Sommer habe ich sie zufällig am Bahnhof getroffen, und bei einer Tasse Kaffee hat sie mir alles erzählt. Danach hat sie sich erst wieder letzte Woche gemeldet, nachdem sie von Elkes«, er stockte und schien tief durchzuatmen, »Schicksal gehört hatte.«
    »Hast du sie nicht im Schreibwarenladen gesehen?«
    »Ich bringe mir alles aus Köln mit, ich war noch nie in dem Laden.«
    »Richy war auch nur zwei- oder dreimal dort.«
    »Elke hat sie dort gesehen. Obwohl die beiden sich vorher nur ein einziges Mal begegnet waren, hat sie Nadja auf Anhieb erkannt und sofort kehrtgemacht. An dem Tag sagte Elke: ›Den Laden betrete ich nicht mehr.‹« Holzbeisser lachte heiser auf.
    Die letzten Häuser von Ückesdorf hatten sie nun hinter sich und bogen auf den gepflasterten Fuß- und Radweg ein, der unter der Autobahn hindurchführte und Ückesdorf mit dem Brüser Berg verband. Der Weg war von hohen Laternen gut ausgeleuchtet. Linker Hand stand verlassen eine Halfpipe.
    Hinter der Unterführung stiegen sie auf einer breiten Treppe den Hang hinauf, während über ihren Köpfen die Kronen alter Bäume im Wind rauschten. Den Lärm der auf der Autobahn vorbeibrausenden Wagen dämpfte die Schallschutzwand. Sie erreichten die ersten Straßen des Brüser Bergs und gingen an Reihenhäusern und mehrstöckigen Wohnhäusern vorbei. In Pilars Kindheit hatte es diese Häuser noch nicht gegeben. Sie erinnerte sich dunkel an

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