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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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seine Pistole, das Opfer seine Handtasche? Würde alles klappen? So gut wie bei der Generalprobe? Die war erstklassig ausgefallen und ließ hoffen, dass der Stoff wirklich saß. Pilar dachte an den Spruch, den Laienspieler gern zitierten: Geht die Generalprobe schief, wird die Aufführung super. Ist die Generalprobe super, geht die – nein, der Umkehrschluss war Blödsinn.
    Es war stockfinster. Pilar konnte nur den schwachen Schimmer von Dieters Bildschirm hinter dem Paravent erkennen, nicht aber das Licht der kleinen Lampe, die er einschaltete, um Anmerkungen im Regieheft zu lesen und die richtigen Tasten für die Musik und die vorgesehenen Geräusche zu drücken.
    Pilar wurde nervös. Nun war es lange genug dunkel. Was war los? Einen winzigen Moment lang kam es ihr so vor, als ob jemand im Seitengang vorbeihuschte. Es war weniger als ein Geräusch, eine leichte Bewegung der Luft, eine minimale Veränderung der Gerüche – oder nichts. Manchmal tauschten Leute kurz vor Beginn der Aufführung noch schnell ihre Plätze, das konnte es gewesen sein.
    Die Krimimusik hob an. Sie klang großartig und war so packend, wie es sich für einen Krimi gehörte. In dieser Düsternis wirkte sie noch unheimlicher. Das Thema hatte Pilar sich selbst ausgedacht, eine plötzliche Eingebung, die ihr vor ein paar Wochen gekommen war, als sie summend am Herd gestanden und den Bratwurstring gewendet hatte. Sie hatte sofort gewusst, dass die Tonfolge passte, war zum Klavier gestürzt, hatte die Melodie ausprobiert und um ein paar Akkorde ergänzt. Bis die Rauchschwaden aus der Küche ihr sagten, dass es mit der Bratwurst vorbei war.
    Ja, sie liebte den Moment, bevor der Vorhang sich öffnete, aber so lange durfte er nicht dauern! Aus der wohligen Anspannung wurde beißende Ungeduld. Die Musik erschien ihr unerträglich, sie war zu laut. Warum ging der Vorhang nicht auf, wieso machte Dieter nicht weiter? Er kannte die Abläufe seit Jahren, und seine Zusammenarbeit mit Rita war immer perfekt gewesen: Flügeltür zu, Saallicht aus, Ruhe eintreten lassen, Musik ein, Vorhang auf und Scheinwerfer an, das war die Reihenfolge.
    Endlich! Der Vorhang teilte sich. Die beiden Hälften glitten mit leisem Surren zur Seite. Die Bühne aber blieb dunkel. Pilar konnte nicht sehen, ob Katie in ihrer Rolle als Opfer bereits neben der Einkaufstasche auf dem Boden lag. Wo blieb das Scheinwerferlicht?
    Pilar erhob sich. Aus dem Augenwinkel sah sie hinten im Saal einen Lichtpunkt aufflammen und sofort verlöschen. Die Leute wurden ungeduldig! Sie musste nachsehen, ob Dieter Hilfe brauchte. Vielleicht war ihm schlecht geworden, oder sein erhöhter Blutdruck – mein Gott, er konnte einen Herzinfarkt haben! Sie duckte sich im Vorbeigehen, um nicht zu stören, falls die Scheinwerfer plötzlich angingen. Denn im selben Moment würde Kevin auf die Bühne stapfen, auf Katie herabblicken und den ersten Satz abdrücken. Pilar wollte ihn nicht irritieren, er hatte Mühe genug mit seiner Rolle.
    Sie ertastete mit der Hand die Kante der Bühne und folgte dem kühlen Metallrand um die Ecke herum. Angestrengt blickte sie zum Techniktisch. Undeutlich konnte sie einen gewölbten Rücken erkennen, keinen Kopf. Offenbar beugte Dieter sich zum Boden hinunter und hantierte an den Kabeln.
    Ein Schrei.
    Gellend schoss er von hinten durch den Saal. Ein Mann, eine Frau, ein Tier, es war nicht zu sagen.
    Die Musik brach ab.
    Der Schrei zerschmolz zu einem Stöhnen und erlosch.

ZWEI
    Pilars Finger krallten sich um die Bühnenkante, dass es schmerzte. Nein, nicht … Man legte sie rein, das war ein Scherz, ein Gag von Freunden des schwarzen Humors!
    Stuhlbeine schrammten über den Boden. Füße trappelten. Kreischen, Brüllen, Schreckensrufe, alles zugleich.
    »Licht an!«, war das Einzige, das Pilar verstand.
    Die vier Scheinwerfer strahlten auf und warfen ihr grelles Licht auf die bunte Bühne. Wie geplant lag Katie reglos im Vordergrund. Vor der knalligen Häuserkulisse erschien Kevin im Trenchcoat des Kriminalkommissars, auf der Nase ein schwarzes Brillengestell.
    »Nicht!«, zischte Pilar und wedelte mit dem Rollenheft über die Bühnenecke. »Nein!«
    Kevin schien sie nicht wahrzunehmen. Laut und mit fester Stimme, wie es die Rolle verlangte, schmetterte er seinen Text in das durcheinandergeratene Publikum:
    »Verdammt, es ist ein Mord geschehen!«
    Er übertönte alles. Pilar hätte ihn schütteln können. Hitze flutete in ihr Gesicht. Sie hatte der Gruppe eingeschärft, Unruhen

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