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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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Ungerechtigkeit, und so eine persönliche Angelegenheit blieb außen vor! Hatte er seine schlechten Noten verschwiegen, weil er befürchtete, sie würde ihn mit heftigen Reaktionen nerven? Womöglich ging es Lukas nicht anders als ihr selbst mit ihrer eigenen Mutter. Oje …
    Sie seufzte so tief, dass jemand von der Straße herüberschaute. Es war Niklas Bindelang, der gerade am Vorgarten vorüberging. Sein Blick wandte sich schnell von Pilars Gesicht ab, schien aber an ihren schmutzigen Reitstiefeln hängen zu bleiben.
    Lukas schob den Kopf aus der Tür und winkte. »Hi, Niklas.«
    »Hi, Lucky. Gehst du auch reiten?«
    »Seh ich so aus?« Er trat über die Schwelle und zeigte auf seine Boxershorts, auf der zwei grüne Palmen sich auf rotem Grund einander zuneigten. »Nur die Mutter geht. Fährst du zum FC ?«
    »Die Mädels brauchen mich im Laden, die Leuchtröhre ist abgestürzt. Meiner Mutter wird auf der Leiter schwindelig, und die Fischmann hat Migräne.«
    »Gehört der zu deinen Freunden?«, fragte Pilar, als Niklas außer Sicht war. In letzter Zeit wusste sie oft nicht, wer zum Freundeskreis ihrer Söhne zählte und wer nicht.
    »Nee, zu Damians Leuten gehört der. Aber auch nur halb.«
    »Stimmt nicht«, ertönte Damians Stimme aus der Küche.
    Pilar hörte das Klappern des alten Toasters. »Wie ist er denn so?«, rief sie durch die offene Tür in Richtung Küche.
    »Weiß nicht. Ganz in Ordnung, glaub ich.«

AM SIEBTEN TAG DANACH
    Nadja,
    es geht mir schlecht. Nichts hat sie begriffen, nichts! Sie ist bei ihm gewesen, in seinem Haus. Ich sah sie darin verschwinden. Es ist eingetreten, was ich befürchtet habe. Sie zwingt mich, einen Schritt weiter zu gehen.
    Ein günstiger Zufall ließ mich etwas aufschnappen, es kam wie gerufen. Mein Entschluss war innerhalb von Sekunden gefasst. Diesmal mache ich es selbst. Mein Wagen ist bis Montag in der Werkstatt, ich habe mir ein anderes Auto besorgt. Den Schlüssel habe ich in der Hand, in der Tasche Klebeband und was ich sonst noch brauche. Wenn es nur klappt! Ich darf sie nicht verpassen.
    In irrsinniger Eile,
    Chris

ZWÖLF
    Pilar nahm einen Leinenbeutel vom Haken und ging damit zum Schuppen hinter dem Carport. Die Frage nach dem Täter saß wie ein Parasit in ihrem Kopf, der alles auffraß, was an erfreulicheren Gedanken in ihr keimte. Dirk Holzbeisser? Herr Winter? Marvin? Wie wär’s mit Lukas? Blödsinn! Freddy hatte mal von der kriminellen Energie eines Verbrechers gesprochen, und Lukas brauchte seine gesamte Energie, um morgens aus dem Bett zu kommen, abgesehen davon, dass sie den Eindruck hatte, ihm gemeinsam mit Richy die richtigen moralischen Maßstäbe vermittelt zu haben.
    Sie hob den Deckel der Futtertonne an und schaufelte ein paar Becher Pferdemüsli in den Beutel. Es roch würzig nach Kräutern, Heu und Getreide. Kindheitserinnerungen stiegen in ihr hoch. Sommerferien in Schleswig-Holstein. Ihre Schwester und sie zwischen Strohballen in der Scheune, am Boden Körner und ganze Ähren und überall der Duft von Heu. Dort hätte sie bleiben und Bäuerin werden sollen oder Dichterin in einer Hütte am See. Und jedes ihrer braven Hühner wäre eines natürlichen Todes gestorben.
    Ihr fiel ein, dass auf der Küchenfensterbank noch ein paar schrumpelige Äpfel lagen, die sie fürs Pferd aussortiert hatte. Sie ging zurück ins Haus und überlegte, was sonst noch fehlte. Handschuhe! Und ein Glas Milch trinken sollte sie, das ließ sich im Stehen erledigen.
    »Du brauchst ewig, bis du mal weg bist«, sagte Richard hinter der aufgeschlagenen Zeitung. »Das schafft so eine Unruhe. Ich frühstücke gerade.«
    »Erinnerst du dich an den Sturm, der im Kiefernweg die Riesenbuche umgehauen hat? Hätte ich damals nicht noch einen Joghurt gegessen, wäre ich fünf Minuten früher auf dem Venusberg und genau unter den stürzenden Baum geraten. Die Uhrzeit stand in der Zeitung. Manche Verzögerungen sind lebensrettend.«
    »Kann auch umgekehrt sein«, brummte Richard. »Du fährst fünf Minuten später, und genau dann passiert es.«
    Nachdem sie die Milch getrunken hatte, ging Pilar hinaus zu ihrem Fiesta. Lag es am Schnee und an der Sonne, die soeben durch die Wolken brach, dass ihr Wagen, der ihr bisher honigfarben erschienen war, so postgelb strahlte wie der verhängnisvolle Putzkasten? Nicht schon wieder daran denken!
    Bis zum Rosenhof in Buschhoven, wo das Pferd untergestellt war, hatte sie eine Viertelstunde Fahrtzeit vor sich. Sie fuhr die Strecke gern, zumal

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