Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
Vom Netzwerk:
Paddocks schnaubte ab und zu ein Pferd, und von den Futterraufen hörte man das gleichmäßige Mahlen der Zähne. Heute schien nicht viel los zu sein auf dem Hof. Pilar traf nur ein Mädchen an, das eine Fuchsstute zurück in den Paddock führte, und am Anbindebalken ein älteres Paar. Die beiden richteten ruhige Worte an einen Braunen und einen Schimmel, während die Frau die Tiere absattelte und der Mann zwei Eimer mit Hafer versah und Möhren und Äpfel klein schnitt. Pilar wandte den Blick ab – den Anblick spitzer Messer konnte sie immer noch nicht ertragen.
    Nach zwanzig Minuten hatte Pilar das Pony geputzt, gesattelt und aufgezäumt. Sie schwang sich auf Astis Rücken und folgte dem asphaltierten Weg, der Jakobsweg und Römerkanalwanderweg zugleich war. Drei Wildgänse flogen schnatternd über sie hinweg, Krähen krächzten in der Krone eines einzeln stehenden Baumes, und lautlos erhob sich ein Bussard von der Lehne der Bank, die darunter stand. Im Sommer saßen dort oft Leute und schauten über die Ebene, aber bei diesem Fröstelwetter war weit und breit niemand zu sehen.
    Die Kiesgrube lag still hinter dem Zaun, an dem sie entlangritt. Die trockenen Gräser raschelten leicht. Nach und nach verschwanden die Berge im Nebel, als würde ein graues Tuch über die Landschaft gezogen. Es sah nach Regen oder neuem Schneefall aus. Der Turm der Tomburg war nicht mehr zu sehen, und der spitze Turm der Kirche von Flerzheim, der sonst deutlich aus der Landschaft ragte, war kaum noch zu erkennen. Der Wind wurde schärfer. Ich könnte den Grasweg zum Mönchgraben hinunterreiten und dann den Parallelweg hochgaloppieren, überlegte Pilar, dann wäre ich bald wieder am Hof. An der Wegkreuzung aber entschied sie sich für die übliche Runde durch den Wald. Die Bäume würden ihr ausreichend Schutz bieten.
    Bergauf ließ sie das Pony traben. Mit jedem seiner schwungvollen Schritte spürte sie ein bisschen mehr, wie alles, was in den letzten Tagen geschehen war, hinter ihr zurückblieb wie eine hässliche Gegend, in die man nicht zurückzukehren wünscht. Sie gelangte über den Pfad zwischen den Kiesgruben auf einen Waldweg, der zu höherem Tempo einlud. Asti hatte einen herrlichen Galopp, kraftvoll und rund gesprungen.
    Windböen bogen das Buschwerk neben dem Weg. Der Wald wirkte dunkel, als wäre die Nacht nicht mehr weit. Schneeregen ging nieder. Auf Pilars Jacke und Astis Mähne landeten lautlos zarte Kristalle. Sie lösten sich rasch auf, und auch am Boden hielten sie sich kaum länger. Ihr feines Rieseln auf den verdorrten Blättern begleitete den Takt der galoppierenden Hufe.
    Der Wald schien menschenleer zu sein. Nirgends sah Pilar andere Reiter, Radfahrer, Spaziergänger oder Läufer. Morgen ist der erste Advent, fiel ihr ein, da macht man Weihnachtseinkäufe oder backt Plätzchen. Sie hatte nicht mal an einen Adventskranz gedacht.
    Für eine Weile ließ sie das Pferd Schritt gehen. An der nächsten Kreuzung bog sie nach links ab, um zu den Feldern, die den Hof umgaben, zurückzukehren. Das war die Standardrunde, die hier die meisten Reiter bevorzugten. Und nun kam er, der Reitweg, auf dem man so richtig losbrettern konnte, griffiger, ebener Lavaboden, kaum Steine und heute völlig frei.
    Pilar trieb das Pferd an. Es buckelte und legte an Geschwindigkeit zu. Sie rasten am Waldrand entlang. In dem Wind, der ihnen entgegenfegte, schienen Asti Flügel zu wachsen.
    »Das Glück der Erde!«, jubelte Pilar laut. Es war ja niemand in der Nähe, sie konnte sich ungehemmt freuen.
    Ein gewaltiger Ruck. Kopf und Schultern des Ponys stürzten dem Boden entgegen, als wären seine Vorderbeine abgebrochen. Kopfüber flog Pilar mit.
    Das kann nicht sein, war alles, was sie denken konnte. Der Schirm des Reithelms stieß auf den Boden, dann ihre Schulter. Ihr Gehirn schien hin- und herzuschwappen, das Bewusstsein wegzukippen. Hinter ihr sprang Asti auf und schüttelte sich, sie hörte das Sattelzeug rappeln. Von der Seite her vernahm sie undeutliches Knacken, als hätte sich im Unterholz ein Tier erschreckt. Die Augen zu öffnen war schwer, wie nach einer Narkose. Langsam kam sie auf die Beine. Erleichtert. Aber irgendwas stimmte nicht. Ihr linker Arm …
    Asti stand über und über mit brauner Lava bedeckt quer auf dem Reitweg vor dem Gebüsch. Den Kopf hielt er gesenkt und die Ohren vorgestellt, als ob ihn etwas am Boden beunruhigte. Er versuchte zurückzuweichen, aber es gelang ihm nicht. Sein Vorderhuf hatte sich im herabhängenden

Weitere Kostenlose Bücher