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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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Stimme war reibeisenrau. »Wie kommen Sie dazu?«
    »Entschuldigen Sie. Ich suche nach Anhaltspunkten. Mein Kater«, sie schluckte, »ist auch ermordet worden.«
    »Kater!« Er lachte bitter auf. »Ehe Sie so unbeholfen weiterforschen, sage ich es Ihnen lieber gleich: Eine liebe alte Freundin wollte unbedingt etwas für mich tun, und dafür bin ich dankbar. Ich habe keine Verwandten in Bonn und keine engen Freunde in der Nähe. Aber sie … sie war eben da.«
    Das war einleuchtend. Mit dem miesen Gefühl, die Nase in Angelegenheiten gesteckt zu haben, die sie nichts angingen, und zurechtgewiesen worden zu sein wie ein Schulmädchen, trat Pilar auf die Straße. Was hatte sie erreicht? Nichts als die Erkenntnis, dass solche Nachforschungen eine Nummer zu groß für sie waren. Sie musste einen Knall gehabt haben, sich überhaupt auf den Weg gemacht zu haben.
    Als Pilar die Haustür öffnete, kam ihr Richard in seinem blauen Bademantel entgegen, der am Bauch schon ziemlich spannte. Größe XXL wird bald zu klein sein, dachte sie.
    »Du sollst deine Mutter anrufen, Pilar. Es ist dringend.«
    »Wo sind Lukas und Damian? Ich muss die beiden was fragen.«
    »Die habe ich noch nicht gesehen.«
    »Sind sie noch im Bett?«
    Natürlich waren sie noch im Bett. Aus anderen Häusern drangen mittägliche Essensdüfte, und bei Scholzens lümmelte man sich noch in den Betten. So war es neuerdings an jedem Wochenende. Pilar fühlte sich machtlos dagegen, und eigentlich blieb sie selbst gern lange liegen. Nur das Gefühl, dass die Zeit so ungenutzt zerrann, trieb sie oftmals als Erste aus den Federn.
    Kaum hatte Pilar die Stiefel abgestreift, tönte die »Marcha Real« durchs Haus. Pilar warf Jacke und Schal auf die Truhe und ging ans Telefon.
    »Endlich! Dich erreicht man ja nie, Pilar!« Die klagende Stimme ihrer Mutter. »Seit fünf Tagen versuche ich es ununterbrochen!« Mama war auch nicht immer ehrlich.
    »Was ist los?« Pilar hielt das Telefon eine Handbreit vom Ohr entfernt. Mamas Stimme war heute einfach zu schrill.
    »Was los ist? Wenn man eine achtundachtzigjährige Mutter mit schwerer Arthrose hat, muss man doch erreichbar sein! Ich fühle mich die ganze Woche über schlecht, und du meldest dich nicht ein einziges Mal!«
    »Ich hab nicht gewusst –«
    »Wenn du mal so alt bist wie ich –«
    »Warum hast du mich nicht auf dem Handy –«
    »Da weiß ich nie, wo du bist und wer alles mithören kann, wenn ich dir von den Leserbriefen erzähle.«
    »Was für Briefe?«
    »Na, die aus der Zeitung! Ich lese nur, was die anderen Leute meinen, der Rest ist unerträglich. Und dauernd ist die Rede von dir.«
    »Moment – wo?«
    »In den Leserbriefen natürlich. Der Artikel am Montag hätte alles verschwiegen, der Tod der Lehrerin wäre vermeidbar gewesen, wenn die Leiterin der Theatergruppe nicht –«
    »Streu nicht noch Salz in meine Wunden!«
    »Ich will dir ja nur helfen! Ich sage allen, die ich treffe, dass es einer viel beschäftigten Frau doch mal passieren kann, dass sie ein Messer liegen lässt.«
    »Ich habe es nicht liegen lassen, sondern weggeräumt.«
    »Mein Liebes, vor mir brauchst du nichts zu beschönigen. Schon als kleines Mädchen hast du alles liegen lassen. Erinnerst du dich daran, wie du ohne Schulranzen nach Hause gekommen bist? Du hast es nicht mal gemerkt! Und als du in dem Café am Rhein den Fotoapparat auf der Toilette vergessen hast, warst du schon achtzehn, und als –«
    »Mama«, unterbrach Pilar sie mit scharfer Stimme, »ich muss jetzt reiten.«
    Es war ebenso aus der Luft gegriffen, wie wenn sie gesagt hätte: Ich muss mir den Blinddarm entfernen lassen. Die Idee mit dem Reiten war ihr gerade erst gekommen, und von Müssen konnte keine Rede sein. Das alte Pferd, das sie, ohne dazu verpflichtet zu sein, reiten durfte, wann sie wollte, gehörte Veras Freundin Rosi.
    »Wäre ich doch ein Gaul oder ein Köter«, klagte ihre Mutter. »Dann hättest du Zeit für mich!«
    Es folgte das Klacken des Auflegens, das Pilar heftiger vorkam als sonst. Sie ließ sich auf den nächstbesten Stuhl fallen. Warum ging ihre Mutter ihr in letzter Zeit so auf die Nerven? Sie hatte ihr nichts von dem Drama mit den Katern erzählt und kein Wort von dem, was sie seit Tagen bewegte. Sie hatte nicht das geringste Bedürfnis dazu verspürt, nein, schlimmer: Sie hatte es bewusst vermieden, überzeugt davon, dass ihre Mutter zu allem das Falsche sagen würde, etwas, das sie auf keinen Fall hören wollte.
    Sie war eine

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