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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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Frau war anspruchsvoll, was Leistung betraf. Nicht jeder durfte bei ihren Musikstücken auf die Bühne. Sie musste viele ablehnen.«
    Das war Pilar bekannt. Tränen waren geflossen, Mütter hatten beim »Casting« vor der Tür gewartet und wollten, wenn es nicht klappte, die Lehrerin sprechen und sich bei der Direktorin beschweren. Ein Vater verstieg sich sogar dazu, mit dem Gericht zu drohen. Manche behaupteten, man müsse Frau Holzbeisser zu einem opulenten Mahl einladen, möglichst französische Küche, andere hielten gute Schulnoten für entscheidend.
    »Es ging ihr nicht nur um musikalische Begabung, sondern auch um schauspielerische«, erklärte Holzbeisser.
    »Die Abgelehnten sind bei mir gelandet«, sagte Pilar.
    Holzbeisser blickte zum Fenster, vor dem ein paar Schneeflocken vorbeischwebten. »Elke hat auf Qualität und Niveau geachtet.«
    Als ob Pilar nicht auch darauf geachtet hätte! Verärgert wandte sie sich ab. Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Jede ihrer Aufführungen war ein kleines Kunstwerk , so hatte Freddy es ausgedrückt, auch wenn ihre theaterpädagogischen Kenntnisse nur auf ein paar Kursen an einer Wochenendakademie beruhten, die sie vor Jahren besucht hatte, um ihrem alten Traum vom eigenen niveauvollen Amateurtheater näher zu kommen. Und weil der kleine Lukas damals so gerne mal Theater spielen wollte, hatte sie mit einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen begonnen.
    »Ich wollte damit ausdrücken, dass Elke sich auch Feinde gemacht hat«, hörte sie Holzbeisser sagen.
    Pilars Blick blieb an der Wand hinter dem Flügel hängen. Großer Gott … War das erlaubt? Dort hing ein gutes Dutzend zum Teil altertümlicher Jagdwaffen. Flinten in verschiedenen Größen zeigten mit dem Lauf zum Fenster, darunter waren mehrere mittelgroße Messer mit kunstvoll geschnitzten Holzgriffen befestigt. Von weiter oben blickte grimmig ein mächtiger Wildschweinkopf auf sie herab.
    »Der Keiler stammt aus dem Kottenforst.« In Holzbeissers Stimme schwang der Stolz des Jägers.
    Pilar musste an Freddys Onkel denken, der seinen Jagdhund erschossen hatte, und an dessen Frau, die Hühner köpfte. Mit einem Mal war Holzbeisser ihr zuwider. Der künstliche Zitronenduft, der im Raum hing, ging ihr auf die Nerven.
    »Ihre Putzfrau nimmt reichlich Putzmittel.«
    Er schüttelte den Kopf. »Als die Polizei hier aufgetaucht ist, hat die Putzfrau den Lappen fallen gelassen und ist verschwunden.«
    »Haben Sie selbst zum Wischmopp gegriffen?«
    »Ich habe zwei linke Hände.« Er hob seine Hände, die nach zarter Haut aussahen, weich und gepflegt. An der linken trug er einen Siegelring mit einem grünen Stein, in den ein Wappen eingraviert war, an der rechten seinen goldenen Ehering.
    Wenn er jetzt sagt, es war seine Schwester, nehme ich ihm das nicht ab, dachte Pilar. Und wenn er lügt …
    Holzbeisser strich sich mit der Siegelringhand übers Haar. »Meine Schwester ist gekommen.«
    »Ach, wie praktisch.« Der skeptische Unterton war kaum zu überhören. Holzbeisser schien es nicht wahrgenommen zu haben. Pilar stand auf und ging in den Flur.
    Er folgte ihr, griff an ihr vorbei und öffnete die Haustür. »Sie wohnen schon lange hier, Frau Scholz-wie?«
    »Álvarez-Scholz.«
    »Wir dagegen sind erst vor zwei Jahren hierhergezogen. Sie kennen die Schüler und Lehrer des Gymnasiums besser als ich. Deshalb frage ich Sie ganz unter uns: Wer könnte Elke auf dem Gewissen haben?«
    »Vielleicht einer, der Katzen platt fährt. Oder einer, der seine Freundin als Schwester ausgibt.« Pilar war entsetzt – was war bloß in sie gefahren? Die Jagdwaffen, das Bettzeug, der Zitronenduft …
    Sein Gesicht schien dunkler zu werden. »Was wollen Sie damit andeuten?«
    »Das ist mir herausgerutscht, ich lese zu viele Romane«, sagte sie hastig. »Ich bin eine unmögliche Person, das wissen hier alle.«
    »Setzen Sie sich noch mal.« Er deutete auf die offen stehende Wohnzimmertür.
    Pilar setzte sich auf eine Stufe der Marmortreppe, die nach oben führte. Sie hätte inzwischen sagen können, wie sie sich auf keinen Fall einen Mörder vorstellte: so wie ihn. Aber wie war das mit einem, der nicht selbst agierte, sondern töten ließ? Der Täter hinter dem Täter, der Anstifter, der sich seine Hände nicht schmutzig machte – konnte so einer nicht aussehen wie er?
    »Ich habe keine Schwester.«
    Pilar hielt den Atem an.
    »Ich habe das gesagt, weil ich geahnt habe, was Sie denken. Sie wollen mir was unterstellen.« Seine

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