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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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sie sich dem Wallfahrtsort südwestlich von Bonn seit ihrer Kindheit verbunden fühlte. Ihr Vater hatte ihr dort Reste der römischen Wasserleitung gezeigt, die eine der längsten im Römischen Reich gewesen war. Zusammen hatten sie im Kottenforst vor dem Graben gestanden, der von der Römerleitung herrührte, und am Waldrand über die Ebene zu den Eifelbergen hinübergeblickt. Bis zu zwanzigtausend Kubikmeter Trinkwasser am Tag von der Eifel nach Köln , hörte sie ihren Vater sagen, das musst du dir mal vorstellen. Sie war zehn Jahre alt gewesen und hatte es sich nicht vorstellen können. Aber jedes Mal, wenn sie nach Buschhoven fuhr, musste sie an ihren Vater denken, der von den Spuren der Geschichte so begeistert war, gleichgültig, ob er sie in seiner spanischen Heimat fand oder hier im Norden.
    Pilar bog in die Reichsstraße ein, ließ Ückesdorf hinter sich und erreichte bald die Kreuzung, an der es nach links zum Konrad-Adenauer-Damm ging. Die Ampel stand auf Rot und blieb erst mal rot. Und schon war der Versuch, den Fall Holzbeisser aus ihrem Kopf zu verbannen, gescheitert.
    Als die Ampel auf Grün schaltete und Pilar auf dem vierspurigen Damm beschleunigte, überlegte sie, dass sie einerseits nicht glaubte, dass ein Schüler der Lehrerin das Messer ins Herz gestoßen hatte, andererseits die Lügen der Theatergruppe gut dazu passten. Deckte die Gruppe jemanden in ihrem Alter? Der womöglich wegen schlechter Noten zum Mörder geworden war? Es wollte ihr einfach nicht in den Kopf.
    Die Bundesstraße 56, die sie nun erreichte, schlängelte sich sanft auf die Voreifel zu. Links und rechts standen Bäume, wie es sich für eine alte Landstraße gehörte. Bald durchquerte sie den Wald, dessen brauner Blätterboden hier und da wie gezuckert wirkte. Über den kahlen Baumkronen tauchte ein blaues Stück Himmel auf.
    Als Pilar sich links einordnete, um nach Buschhoven einzubiegen, blickte sie genauer in den Rückspiegel. Der silberfarbene VW Golf, der seit dem Konrad-Adenauer-Damm mit etwas Abstand hinter ihr fuhr, blinkte ebenfalls links. Der Wagen erinnerte sie an den, der Goethe angefahren hatte. Mittelgroße silbergraue Autos gab es natürlich viele, sie war sich nicht mal sicher, ob das andere Fahrzeug ein VW gewesen war. Sylvia Ebel besaß einen silberfarbenen Nissan, der Pilar recht ähnlich vorkam, und auch Frau Winter, Senta Bindelang und Professor Dobbel fuhren etwas Silbergraues wie wahrscheinlich hundert andere in der näheren Umgebung. Pilar schaute meistens nicht genau genug hin, um Marke und Modell zu erkennen, und selten blieben sie ihr im Gedächtnis.
    Der Fahrer des Wagens hinter ihr konnte ebenso gut ein Mann wie eine Frau sein. Er trug einen großen Hut und eine Sonnenbrille. Kopfform und Gesicht waren nicht zu erkennen, weil die Sonnenblende heruntergeklappt war und die Frontscheibe spiegelte. Auf dem Nummernschild las Pilar » DN «. Dieses Kennzeichen war keine Seltenheit in Bonn und Umgebung, die Stadt Düren am Nordrand der Eifel war ja nicht weit entfernt. Pilar sah noch einmal hin. Ja, DN und nicht BN für Bonn. Das konnte nicht der Wagen sein, der Goethe angefahren hatte.
    Als Pilar der Alten Poststraße folgte, bog der Dürener Golf hinter ihr links ab. Die Strecke geradeaus war ein Umweg, den Pilar sich oft leistete, weil sie die Fahrt durch den alten Ortskern mochte. Und nun entspann dich, sagte sie sich, das wird ein wunderbarer Ausritt.
    Hier draußen lag kaum noch Schnee. In den Vorgärten glänzten ein paar weiße Flecken, aber auf den Straßen war er vollständig geschmolzen. Als Pilar in die Dietkirchenstraße einbog und bald darauf die letzten Häuser des Dorfes hinter sich ließ, blickte sie auf braune Felder. Nur die Eifelhänge hinter Rheinbach schimmerten weiß unter dem blassgrauen Himmel. Von Westen zog ein dunkles Wolkenband heran.
    Pilar stellte den Fiesta auf dem Parkplatz des Rosenhofs ab und ging an der weihnachtlich geschmückten Tanne vorbei. Rosis stämmiger Wallach stand bereits mit hocherhobenem Kopf am Zaun. Asti war ein großes, kräftiges Islandpferd. Durch die schwarze Mähne, die seine Augen wie eine Gardine verbarg, blickte er ihr entgegen und gab ein leises Blubbern von sich, als freue er sich auf die Aussicht, mit ihr durchs Gelände zu streifen. Er war fünfundzwanzig Jahre alt, aber noch immer gut in Form, lauffreudig und sehr schnell.
    Wieder mal hier zu sein, wo die Welt nur aus Füttern, Misten und Fellpflege zu bestehen schien, genoss Pilar. In den

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