Kovac & Liska 02 - In aller Unschuld
Hammer und seine Aktentasche sowie Fotos und Erinnerungen.
Sie fühlte sich leer und zerschlagen, als sie das Büro verließ.
Die Medienleute warteten bestimmt noch vor dem Haupteingang, in der vergeblichen Hoffnung, dass sie das Gebäude auf diesem Weg verließ.
Stattdessen nahm sie die Fußgängerbrücke über die Straße zum Parkhaus, wo ihr Wagen stand. Die Leute vom Fernsehen hatten sich ausschließlich vor dem Haupteingang aufgebaut, weil sie nicht auf die eindrucksvolle Fassade des Hennepin County Government Center als Hintergrund verzichten wollten. Sie rechnete damit, einem Zeitungsreporter in die Arme zu laufen, aber die Brücke war leer, und die meisten Autos hatten die Ebene verlassen, auf der Carey geparkt hatte.
Vielleicht brauchte sie ja bald Begleitschutz, jetzt, nachdem ihre Entscheidung bekannt geworden war. Bei dieser Vorstellung fühlte sie sich erst recht als Feigling, weil sie sich dann hinter einem Dempsey vor den Folgen ihres Tuns verstecken würde.
Gedankenverloren kramte sie in ihrer Tasche nach den Schlüsseln. Ihr Palmtop und ein Lippenstift fielen heraus. Seufzend stellte sie die Aktentasche ab und bückte sich, um die Sachen aufzulesen.
Gerade als sie sich wieder aufrichtete, traf sie etwas mit voller Wucht im Rücken und raubte ihr den Atem. Der zweite Schlag ließ sie vornüberstürzen.
Sie schürfte sich an dem rauen Beton die Handflächen auf. Ihre Knie prallten mit Wucht auf dem Boden auf. Sie versuchte, Luft zu holen, um zu schreien, aber es ging nicht. Ihre Handtasche flog durch die Luft, und der Inhalt wurde in alle Richtungen verstreut.
Ihr Angreifer holte noch einmal aus, verfehlte um Haaresbreite Careys Kopf, als sie sich mit ausgestreckter Hand nach rechts warf, wo ihre Schlüssel lagen. Er war offenbar mit irgendeinem Schläger bewaffnet. Sie konnte ihn nicht sehen, hörte nur, wie er neben ihr auf dem Beton auftraf. Ihr Angreifer fluchte.
»Du Miststück! Blöde Fotze!« Es war kein Brüllen, sondern ein gemeines, heiseres Flüstern voller Hass.
Er stürzte sich auf sie, schlug ihren Kopf auf den Boden wie einen Basketball. Wollte er sie umbringen? Vergewaltigen?
Carey tastete verzweifelt nach ihrem Autoschlüssel, brach sich einen Nagel ab, riss sich die Fingerkuppen auf, bevor sie ihn endlich in der Hand hielt.
Der Angreifer packte sie an den Haaren, riss ihren Kopf hoch.
Hatte er ein Messer? Würde er ihr die Kehle aufschlitzen?
Sie richtete den Schlüssel auf den BMW, drückte verzweifelt die Knöpfe. Die Alarmanlage des Autos fing an zu heulen, und sämtliche Lichter blinkten.
Die Stimme hinter ihr fluchte erneut. Noch einmal knallte er ihren Kopf auf den Boden. Das bisschen Luft, das sie noch in sich hatte, entwich aus ihrer Lunge, als er sie in die Rippen trat.
Dann wurde alles um sie herum in ein Furcht einflößendes Schwarz getaucht.
4
Sam Kovac stand mit halb ausgezogenem Hemd vor dem Spiegel im Klo, das am Ende des Flurs des Dezernats lag. Er sollte mal wieder in den Fitness-Club, allerdings war er in keinem mehr gewesen, seit er auf Streife gegangen war. Und das war verdammt lange her.
Da er mittlerweile die vierzig überschritten hatte, fragte er sich, ob er sich nicht doch langsam mal wieder sportlich betätigen sollte. Aber allein die Vorstellung, sich vor den jungen muskelbepackten Kerlen, die die Fitness-Clubs bevölkerten, zum Idioten zu machen und schwitzend seine Midlifecrisis zur Schau zu stellen, reichte, damit er seine Sportklamotten im Spind ließ. Genauso wenig Lust hatte er, gemeinsam mit den testosterongesteuerten Muskelprotzen, die die Uniform des Minneapolis Police Department trugen und ihre Hemden nicht von der Stange kaufen konnten, Gewichte zu stemmen. Wahrscheinlich versuchten die meisten von ihnen bloß, ihren kleinen Pimmel oder homosexuelle Neigungen zu kompensieren oder dass ihnen in ihrer Schulzeit immer das Pausengeld geklaut worden war.
Kovac musterte sich kritisch. Er sah aus wie ein alter Kater, der einiges hat einstecken müssen, aber auch kräftig ausgeteilt hat. Hier und dort Narben, und eine zweimal gebrochene Boxernase in einem verknautschten Gesicht. Seine Haare waren zu gleichen Teilen grau und braun und standen ihm meistens strubbelig vom Kopf ab. Was zum einen an seiner slowakischen Herkunft liegen mochte, zum anderen aber auch daran, dass er grundsätzlich nicht mehr als zehn Dollar für einen Friseurbesuch zahlte.
Aber insgesamt betrachtet fand er, dass er gar nicht mal so übel aussah. Kein
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