Kovac & Liska 02 - In aller Unschuld
klauen.«
»Nee«, sagte sie und klopfte auf seinen flachen Bauch. »Du kannst den Hamburger haben, den ich gegessen hätte. Du bist schließlich ein kräftiger, sportlicher Junge. Ich fahr nach Hause.
Speed bringt heute die Kinder zurück. Ich will ein bisschen Zeit mit ihnen verbringen wie eine ganz normale Mutter.«
»Okay«, sagte Kovac. »Gib Speed von mir einen Tritt in die Eier.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein.«
»Stehst du vorne?«
»Hm-hm.«
»Dann bring ich dich zu deinem Auto«, sagte er.
Liska drückte ihn kurz. »Du bist ein guter Mann, Sam Kovac.«
Er grinste. »Das habe ich schon mal gehört.«
66
Liska hielt vor dem Haus der Familie Haas. Es war nur ein kleiner Umweg auf dem Heimweg nach St. Paul. Sie hatte das Gefühl, Wayne Haas und seinem Sohn diesen Besuch schuldig zu sein, um ihnen zu sagen, dass Karl Dahl nie mehr jemandem wehtun würde. Ausnahmsweise könnte sie ihnen endlich einmal eine gute Nachricht überbringen statt schlechter Neuigkeiten, Entschuldigungen und Anklagen. Dafür konnte sie ohne weiteres zehn Minuten ihres Lebens erübrigen.
Im Erdgeschoss und in der frei stehenden Garage brannte Licht. Der Wagen von Wayne Haas stand in der Einfahrt. Sie ging zuerst zur Garage, weil sie dachte, dass Vater und Sohn vielleicht dort waren und gemeinsam an irgendetwas arbeiteten. Sie hoffte für beide, dass es so war.
Ein Radio spielte Hiphop, eine Musik, die sie in ihrem eigenen Haus oft genug hörte, um sie zutiefst zu verabscheuen. War wohl ein sicheres Zeichen dafür, dass sie älter wurde.
»Mr. Haas? Bobby?«, rief sie, als sie sich der Tür näherte.
Es hatte aufgehört zu regnen, aber das Gras war nass, und sie spürte, wie Wasser durch das Leder ihrer Schuhe drang. Keine gute Tat bleibt ungestraft.
Sie klopfte und blickte durch das Fenster der alten Seitentür. Die übliche Ansammlung von Dingen – Rasenmäher, Fahrräder, Gartengeräte, Farbeimer.
Bobby Haas saß auf einem Stuhl vor der Werkbank, die eine ganze Wand des Raums einnahm. Er blickte von einem Buch auf, rutschte von seinem Stuhl und kam zur Tür.
»Detective Liska? Was machen Sie denn hier?«
»Kann ich reinkommen? Hier draußen wird's langsam wirklich kalt.«
Er trat einen Schritt zurück, um sie vorbeizulassen. Liska sah sich um – an den Wänden hingen Gartenwerkzeuge und Angeln, die offensichtlich lange nicht mehr benutzt worden waren. Bobby ging zurück zur Werkbank.
»Ich habe zur Abwechslung mal ein paar gute Neuigkeiten mitgebracht«, sagte sie. »Ist dein Vater da?«
Bobby runzelte die Stirn. »Er ist früh ins Bett gegangen. Er hat sich nicht wohl gefühlt.«
»Alles in Ordnung mit ihm? Muss er zum Arzt?«
»Nein. Ich glaube, er ist vor allem erschöpft«, sagte der Junge mit traurigem Gesicht. »Er ist immer müde.«
»Du wünschst dir, dass alles wieder so ist wie früher«, sagte Liska.
»Er will es ja nicht mal versuchen. Ich bin ihm völlig egal.«
»Ich bin sicher, dass das nicht stimmt, Bobby. Dein Vater macht Schlimmes durch. Er schämt sich, weil du die ganze Zeit der Starke in der Familie sein musstest, obwohl das seine Aufgabe wäre.«
Nichts von dem, was sie sagte, hatte eine Wirkung auf den Jungen. Er war mit seiner Geduld am Ende. Wie jeder Junge wollte er für seinen Vater der Mittelpunkt der Welt sein. Es gab für ein Kind keine größere Enttäuschung, als festzustellen, dass das nicht der Fall war.
»Ja, na ja«, sagte Bobby, und seine Augen füllten sich mit Tränen. »Ich wünschte, er würde endlich drüber wegkommen. Es ist jetzt länger als ein Jahr her, und jeden Tag, wenn er aufsteht, ist er deprimiert wegen dem, was passiert ist, und jeden Tag, wenn er von der Arbeit heimkommt, ist er deprimiert wegen dem, was passiert ist. Es ist, als wäre ich gar nicht da. Er ist doch schließlich mein Dad. Was ist mit mir? Was ist damit, was ich brauche?«
Liska hob die Hand und tätschelte ihm den Rücken, bot ihm den gleichen stillen Trost an wie so viele Male ihrem ältesten Sohn, wenn der mal wieder von seinem Vater enttäuscht worden war. Die Gefühle, die in seinem Inneren tobten, ließen Bobby Haas zittern. Er war in einem Alter, in dem solche Gefühle plötzlich so groß und stark wurden, dass er nicht wusste, wie er damit umgehen sollte.
Er trat von ihr weg und lief mit in die Hüften gestemmten Händen vor ihr herum. »Er sollte sich um mich kümmern, nicht um einen Haufen toter Leute, für die er nichts mehr tun kann!«
Er kämpfte gegen seine Tränen
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