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KR127 - Ich bluffte den Hafenboß

KR127 - Ich bluffte den Hafenboß

Titel: KR127 - Ich bluffte den Hafenboß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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eine solche Wahl zustande kam. Wehe dem, der einen anderen zum Vorsitzenden der Gewerkschaft vorgeschlagen hätte.
    Nichts in meiner Haltung verriet etwas von meinem Wissen. Ich erhob mich artig, drückte die angebotene Hand. »Freue mich, Boss«, sagte ich mit leicht törichtem Grinsen.
    »Komm’ mal mit!«, befahl Kent. »Ich denke, die Zeit ist um, Softy.«
    Gewandt wie eine Katze kletterte er vor mir die Steigleiter hoch. Unten trillerte Muck auf seiner Pfeife. »An die Arbeit, Leute!«, krähte seine Blechstimme.
    Der Hafenwind wehte mir angenehm um die Nase. Donald Kent zog mich an den Jackenaufschlägen in den Windschatten des Schornsteins.
    »Hast du deine Mitgliedskarte bei dir?«
    Ich gab sie ihm. Er unterschrieb sie mit großen, steilen Buchstaben.
    »Hör zu, mein Junge«, sagte er freundlich. »Ich will Friede und Ordnung in der Gewerkschaft, aber du weißt, wie die Burschen manchmal sind. Es gibt ewig Unzufriedene unter ihnen. Wenn ich mich dauernd nach ihnen richten würde, geriete die Gewerkschaft aus den Fugen, und die Schiffseigner tanzten uns nur auf der Nase herum. Mir bleiben oft Maßnahmen nicht erspart, die von eurem Standpunkt aus vielleicht unnötig oder sogar falsch aussehen, aber in den großen Rahmen passen, den Ihr nicht ohne weiteres erkennen könnt. Ich will, dass jeder von euch genug zu beißen hat, und verdammt will ich sein, wenn ich nicht dafür sorge. Aber die Leute, die mir mein Konzept versauen, werde ich zu belehren wissen.«
    »Ich sage es dir nur, damit du dir nicht von ein paar gewissenlosen Elementen den Kopf verdrehen lässt«, fuhr der Gewerkschaftsboss fort. »Ich fürchte mich vor niemanden, aber ich weiß auch Leute, die treu zu mir halten, zu belohnen.«
    So, jetzt kam das Zuckerbrot nach der Peitsche. Ich grinste vertrauenerweckend. »Ich bin in Ordnung, Boss«, versicherte ich.
    »Dann kommen wir gut miteinander aus, mein Junge«, sagte er und schlug mir auf die Schulter. »Geh’ wieder an die Arbeit!«
    Ich trollte mich brav und nahm unten im Laderaum meinen Platz ein. Vier Stunden lang wuchtete ich weiter die Kisten. Endlich entführte der Kran den letzten Stapel nach oben.
    »Wir liegen eine halbe Stunde unter der Zeit«, verkündete Muck triumphierend.
    In einem langen Zug, mit müden, schleppenden Schritten stolperten wir zu dem Gewerkschaftshaus. Eine blasse Sonne war inzwischen an dem diesigen Himmel aufgegangen. Trux Lugger und seine Garde hatten Stühle nach draußen getragen und dösten vor sich hin. Lugger hatte sogar seine Jacke ausgezogen.
    Er blinzelte, als er unser ansichtig wurde. Die Ladeführer gaben die Zählblätter ab.
    »Da seid ihr ja«, brummte er. Er blickte auf seine Armbanduhr.
    »Na, ’ne halbe Stunde liegt ihr ja darunter. Ein Dollar mehr also. Ihr werdet noch Millionäre. Vincon, die Kasse!«
    Lugger nahm die Kassette auf die Knie und öffnete sie. Die Arbeiter drängten näher. Ich wurde mit nach vorn geschoben.
    »Sagen wir zehn Dollar pro Mann als Abschlag«, verkündete der ehemalige Boxer. »Der Chef hat mit dem Schiffseigner noch nicht abgerechnet.«
    Eine Welle der Empörung lief durch die Männer. Hinten schrie eine Stimme: »Ihr Halsabschneider! Ihr bekommt mindestens fünfzehn!«
    »Und was ist mit dem Dollar Zuschlag!«, brauste ein anderer auf. Lugger verlor nicht die Ruhe. Er schien solche Meutereien gewohnt zu sein.
    »Regt euch nicht auf«, begütigte er nachlässig. »Ihr bekommt die Differenz ja ausgezahlt. Es ist nicht gut für euch Jungens, wenn ihr zuviel Scheine auf einmal bekommt. Ihr versauft’s ja doch nur. Bei uns ist Geld sicherer als bei der Bank.«
    »Und dann zieht ihr es ein als Sonderbeitrag, Sonderfond, Sonderausgaben!«, schrie ein Mann wild. Ich sah mich nach ihm um. Es war der rothaarige Ire, der mit Muck aneinander geraten war.
    »Ihr mästet euch von unseren Knochen!«, brüllte er.
    Ich dachte, es würde wieder eine Keilerei geben. Luggers Kumpane machten sich fertig. Der Jongleur fing seine Bälle auf und steckte sie in die Tasche. Der ewige Fingernagelpolierer sah auf. Der Zähnereiniger spuckte den Zahnstocher aus.
    Aber es kam zu keinem Streit. »Also gut, Jungens, elf Dollar, obwohl ich bestimmt eine Zigarre vom Chef bekomme. Du, Mamun, freilich erhältst nur neun. Zwei Dollar Strafe in die Gewerkschaftskasse wegen der Sache mit dem Rauchverbot.«
    Ich sah mich um. Ich erwartete weitere Entrüstung, neue Empörung, aber die Männer blieben ruhig. Sie gaben sich mit dem einen Dollar Erhöhung

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