Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman
Die allermeisten Leute sind Ausländer, Marokkaner, Rumänen, Chinesen, Inder, Polen, Senegalesen, Albaneser. Unmöglich, mit denen zu leben. Die haben Religionen, Gewohnheiten und Traditionen, die anders sind als unsere. Bei denen daheim leben sie unter freiem Himmel oder in Zelten, essen mit den Händen, die bewegen sich auf Eseln oder Kamelen fort und behandeln Frauen wie Sklaven. Ich bin keine Rassistin, aber das ist die Wahrheit. Das sagt auch Bruno Vespa 3 . Und warum kommen die überhaupt nach Italien? Ist mir ein Rätsel, wir sind voll mit Arbeitslosen. Auch mein Sohn Gennaro hat keine Arbeit. Wenn da nicht seine Frau Marina wäre, die als Schneiderin arbeitet, und meine regelmäßige Unterstützung, dann wäre er schon längst vor der Kirche von San Domenico Maggiore in Neapel gelandet und würde dort um Almosen betteln. Die Arbeitsplätze reichen ja nicht mal für die Einheimischen, wie soll das dann gehen, dass wir all diese Unglücklichen auch noch aufnehmen? Jede Woche sehen wir Boote voller Flüchtlinge in den Nachrichten. Die schleppen uns doch ansteckende Krankheiten ein! Pest und Malaria! Das sagt Emilio Fede 4 auch immer. Aber auf den hört ja keiner.
Ich meine, dass die Kriminalität jede Grenze überschritten hat. Im vergangenen Monat fand Elisabetta Fabiani, die Witwe, die im zweiten Stock wohnt, ihr Hündchen Valentino nicht mehr wieder. Sie hatte ihn – wie jeden Tag – im Park auf der Piazza Vittorio ausgeführt, damit er dort sein Geschäft macht, hat sich hingesetzt, um ein wenig die Sonne zu genießen, dann hat sie nach links geschaut und nach rechts, aber keine Spur mehr von dem Hund. Sie hat mich gefragt, ob ich ihr helfe, dann haben wir ihn den Park rauf und runter gesucht – aber nix. Elisabetta hat reichlich um Valentino geweint, so sehr, dass alle dachten, ihr Sohn Alberto wäre gestorben.
Ich sagte ihr, dass einem das Verschwinden von Valentino so einiges zu denken gibt. Ich habe keine eindeutigen Beweise. Aber wenn man eins und eins zusammen zählt, dann deutet doch manches auf eine Entführung hin.
Erstens: In den vergangenen Jahren haben an der Piazza Vittorio und drumherum viele chinesische Restaurants aufgemacht.
Zweitens: Die Parkanlagen der Piazza Vittorio sind der bevorzugte Spielplatz der chinesischen Bälger.
Drittens: Mir hat man gesagt, dass die Chinesen Hunde und Katzen essen.
Jetzt, wo ich Ihnen all diese Dinge gesagt habe, gibt es doch keinen Zweifel mehr, dass die Chinesen den armen Valentino entführt und aufgegessen haben!
Der Herr Amedeo ist unschuldig. Knöpft Euch seinen albanesischen Freund vor. Verhört den mal so richtig – und dann werdet Ihr schon sehen, wie er umfallen und gestehen wird. Ich hab ihn viele Male auf frischer Tat ertappt, als er versuchte, den Aufzug kaputtzumachen. Ich hab gesehen, wie er ohne Grund rauf und runter gefahren ist, ganz rauf ins oberste Stockwerk, ganz runter ins Erdgeschoss. Ich habe ihn sehr genau beobachtet, deshalb bin ich jetzt ganz sicher, dass er der Täter ist. Als ich die Polizei rufen wollte, hab ich aber nochmal mit dem Herrn Amedeo gesprochen, damit’s keine Scherereien gibt. Der Albaneser ist der wahre Mörder, dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen. Finden Sie es richtig, dass der Herr Amedeo für irgendwelche Immigranten seinen Kopf hinhalten soll? Und finden Sie es richtig, einen braven italienischen Bürger für etwas zu beschuldigen, was er gar nicht getan hat? San Genna’, pienzace tu!
Was wollt Ihr denn noch? Ich habe Euch doch gesagt, dass Amedeo ein waschechter Italiener ist. Ich hab ihn persönlich öfter gefragt, wo er denn herkommt, nach seinen Eltern, der Familie, dem Geburtsort und anderen Sachen, die mir jetzt nicht einfallen. Er hat mir immer mit einem einzigen Wort geantwortet: Süden. Ich wollte ihn nicht mit noch mehr Fragen nerven, um vielleicht ein paar mehr Details zu erfahren, und so hab ich bei mir gedacht: Womöglich ist er Sizilianer oder Kalabreser oder Apulier. Es gibt eh keinen Unterschied zwischen Catania und Neapel, Bari und Potenza, wir kommen doch alle aus dem Süden! Tut auch nichts zur Sache, am Ende sind wir sowieso alle Italiener. Rom ist die Stadt, wo Leute von überallher wohnen. Jetzt tut mir die Liebe und hört auf, Amedeo zu beschuldigen, ein Immigrant zu sein. So sind wir Italiener nämlich: In den schwierigen Momenten traut einer dem anderen nicht über den Weg. Statt einander zu helfen, tun wir alles, um uns zu schaden. Wir sind wohl tatsächlich ein
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