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Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Titel: Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Klaus Wagenbach
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Marini, der im vierten Stock in Wohnung Nummer 16 wohnt. Ich weiß alles über die Bewohner hier in meinem Haus. Deshalb beschuldigen sie mich, dass ich mir das Maul über sie zerreiße. Ist das der Lohn für alles, was ich tue? Ich kümmere mich hier mit Hingabe um ihre Bedürfnisse und bin immer da, wenn man mich braucht. Jetzt sagen Sie mal, heißt das denn schon, dass man sich in ihre Angelegenheiten einmischt? San Genna’, mettece ’a mana toja, dann steh uns bei, heiliger Gennaro!
    Ich kann mich gut erinnern, es war im Frühling. Fünf Jahre ist das her. Ich hab ihn zur Haustür reinkommen sehen. Und wie er zum Aufzug geht, frag ich ihn: »Guaglio’, junger Mann, addo’ vaje, wohin des Wegs?« »Ich fahre in den zweiten Stock.« So ohne weitere Details hab ich mich nicht abspeisen lassen und deswegen hab ich noch rausgekriegt, dass er zu Stefania Massaro wollte. Dann macht der die Tür zum Fahrstuhl auf, und ich sag zu ihm: »Bitteschön, nicht die Tür zuschlagen. Schau nach, ob du richtig zugemacht hast. Den Knopf ja nicht fest drücken.« Er guckt mich mit einem Lächeln an und sagt: »Hab’s mir anders überlegt. Ich geh zu Fuß.« Ich dachte, der verkauft mich für blöd, der benimmt sich daneben, so wie die anderen. Aber er lächelt noch freundlicher als davor und grüßt mich: »Schönen Tag auch, Signora!« Ich hab meinen Ohren nicht getraut und mich gefragt: Gibt es in diesem Land vielleicht doch noch Männer, die Frauen respektieren? An dem Tag hatte ich so ein komisches schlechtes Gewissen. Da habe ich beim heiligen Gennaro geschworen, sollte der nochmal wiederkommen, dann werde ich nett zu ihm sein. Sie müssen wissen, dass der Herr Amedeo der Einzige in diesem Haus ist, der den Aufzug nicht benutzt, aus Respekt vor meiner Wenigkeit, weil er begriffen hat, welche Probleme jedesmal auf meinen Schultern lasten, wenn der kaputtgeht. Der Ärger mit diesem Aufzug nimmt kein Ende. Es gibt sogar welche, die heimlich da reinpinkeln! So werde ich noch meine Arbeit verlieren. Wir haben immer wieder Hausversammlungen gemacht, um dieses Problem aus der Welt zu schaffen, aber leider ist es uns nicht gelungen, eine Lösung zu finden. Ich hab schon mal gedacht, ich rufe die von der Fernsehsendung
Striscia la notizia
an, die kümmern sich um die Probleme der Bürger und regeln alles ganz schnell. Und dann hab ich’s aber doch nicht gemacht, ich wollte nicht den Ruf meines Hauses schädigen. Zu guter Letzt hab ich gedacht, ich mach’s wie bei James Bond und bringe versteckt eine kleine Kamera im Fahrstuhl an, damit wir den Schuldigen finden. Bloß hab ich auch das bleiben lassen, wegen den Kosten und weil ich Angst hatte, dass sie mich wieder beschuldigen, ich würde rumspionieren und mich in ihre Sachen einmischen.
    Wir sprachen ja vom Herrn Amedeo, nicht wahr? Nach einem Weilchen ist er hier im Haus bei der Stefania eingezogen. Das hat mich schon sehr gefreut. Aber ganz richtig ist das alles auch wieder nicht. Oder was meinen Sie: Hat die Stefania Massaro vielleicht einen so eleganten jungen Mann wie den Herrn Amedeo verdient? Dieses durchtriebene Ding kann mich nicht riechen und tut gerade so, als hätte ich ihr den Vater und die Mutter umgebracht. Aber ich kann sie genauso wenig riechen und vermeide es tunlichst, ihr über den Weg zu laufen. Ich kann ihr das nicht vergessen, was sie als kleines Mädelchen so alles angestellt hat. Klingeln hat sie geputzt und die Treppen extra verkleckert, damit sich die anderen Hausbewohner über mich aufregen. Wie oft haben sie mich beschuldigt, dass ich meine Arbeit nicht ordentlich mache! Die hat wirklich alles getan, damit ich hier rausfliege! Ist ihr aber nicht gelungen. Vor den Boshaftigkeiten der anderen fürchte ich mich nicht, ich hab ja San Gennaro, der mich beschützt. Nicht umsonst habe ich meinem einzigen Sohn den Namen des heiligen Patrons von Neapel gegeben.
    Nein! Der Herr Amedeo hat mit diesem Verbrechen nichts zu tun. Ich weiß auch nicht, wer den Lorenzo Manfredini umgebracht hat. Ich hab ihn tot und friedlich in einer Blutlache im Aufzug gefunden. Die Leute hier von der Piazza Vittorio konnten ihn aber nicht leiden, den Gladiatore. Ich bin sicher, dass der Grund für diesen ganzen Schlamassel die Arbeitslosigkeit ist. Es gibt doch reichlich junge Italiener, die keine Beschäftigung finden, mit der sie auf vernünftige Weise ihre Brötchen verdienen können. Drum sind die meisten von ihnen direkt gezwungen zu klauen, um ’nen Happen zu essen zu haben.

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