Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman
einer der wenigen Italiener, der in meinem Laden einkauft. Ein idealer Kunde: Er bezahlt bar, und so musste ich seinen Namen noch nie in mein Schuldnerbüchlein schreiben. Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen ihm und dem Rest meiner Kundschaft, den Bengalen, Pakistanis und Indern – die zahlen nämlich immer am Monatsende. Ich kenne ihre Probleme. Nur wenige von ihnen verfügen über ein festes monatliches Einkommen, und der Rest lebt wie die Vögel: Jeden Tag aufs Neue organisieren sie sich etwas zu essen. Es gibt viele Bengalen, die vormittags auf dem Markt Knoblauch verkaufen, abends in den Speiselokalen Blumen und an regnerischen Tagen Schirme.
Signor Amedeo ist ein Italiener, der anders ist als die anderen: Er ist kein Faschist, das heißt, kein Faschist, der Ausländer hasst wie dieser Scheißkerl von Gladiatore, der alle verachtete und demütigte. Die Wahrheit ist: Dieser Hurensohn hat das bekommen, was er verdient hat. Auch die neapolitanische Hausmeisterin ist eine Rassistin, weil sie mich nie den Aufzug benutzen lässt, wenn ich Hausbewohnern, die meine Kunden sind, ihre Einkäufe bringe. Sie hasst mich ohne Grund und erwidert meinen Gruß nie. Und wenn sie mich »den Pakistaner« nennt, dann macht sie das mit voller Absicht, um mich zu beleidigen. Wie oft habe ich ihr gesagt: »Ich bin Bengale und habe mit Pakistan nicht nur nichts zu tun, sondern hasse die Pakistanis ohne Ende!« Während des Unabhängigkeitskriegs von 1971 vergewaltigten Pakistanis viele unserer Frauen. Ich denke oft an meine arme Tante, die Selbstmord begangen hat, um keine Schande über unsere Familie zu bringen. Ah, hätten wir nur die Atombombe! Ich finde, dass die Pakistanis es verdient hätten, so zu sterben wie die Japaner im Zweiten Weltkrieg. Und reden wir besser nicht von diesem Mailänder Professor, der auch noch wissen wollte, ob ich eine Erlaubnis für die Benutzung des Aufzugs vorweisen könnte. Da habe ich mich gefragt, ob es jetzt schon eine Sondergenehmigung braucht, damit man den Aufzug benutzen darf.
Glücklich macht mich, wenn ich Signor Amedeo mit seinem iranischen Freund Parviz in der Dandini-Bar sehe. Dann denke ich so bei mir: »Wie schön das ist, ein Christ und ein Muslim, die wie zwei Brüder sind! Es gibt nämlich keinen Unterschied zwischen Christus und Mohammed, zwischen dem Evangelium und dem Koran, einer Kirche und einer Moschee!« Ich bin schon lange genug in Rom, um rassistische und tolerante Italiener voneinander unterscheiden zu können: Der Erste lächelt nicht zurück und erwidert deinen Gruß nicht, wenn du ciao, guten Tag oder guten Abend sagst. Dem bist du so egal, als würdest du gar nicht existieren. Oder schlimmer noch: Er wünscht aus tiefstem Herzen, dass du dich in ein ekliges Insekt verwandelst, das man ohne Reue zerquetschen kann. Wohingegen der tolerante Italiener viel lächelt und als Erster grüßt, so wie Signor Amedeo, der mich mit seinem islamischen Gruß jedesmal verblüfft: »Assalam alikum!« Er kennt sich mit dem Islam sehr gut aus. Einmal erwähnte er, der Prophet Mohammed habe immer wieder gesagt, dass »ein Lächeln beim Blick auf einen Menschen wie eine edle Spende ist«.
Signor Amedeo ist der einzige Italiener, der mir unangenehme Fragen über den Schleier, den Wein, das Schwein etc. erspart. Er muss viel in islamischen Ländern gereist sein, immerhin besitzt ja seine Frau, Signora Stefania, ein Reisebüro in der Nähe der Via Nazionale. Die Italiener haben keine Ahnung, wie der Islam wirklich ist. Sie glauben, er sei die Religion der Verbote: Wein trinken ist verboten! Sex außerhalb der Ehe ist verboten! Einmal fragte mich Sandro, der Besitzer der Dandini-Bar:
»Wie viele Ehefrauen hast du?«
»Eine.«
Er dachte kurz darüber nach. Und dann sagte er:
»Du bist gar kein echter Muslim und deshalb wird’s für dich auch nichts mit den Jungfrauen im Paradies, weil ein Muslim nämlich fünfmal am Tag beten, den Ramadan einhalten und vier Frauen heiraten muss.«
Ich hab versucht, ihm zu erklären, dass ich arm bin und nicht reich wie die Emire der Golfstaaten, die es sich leisten können, vier Familien gleichzeitig zu unterhalten. Aber meine Worte schienen ihn nicht wirklich zu überzeugen. Schließlich sagte er:
»Ich finde euch Moslemmänner klasse, weil ihr so richtig auf Frauen steht – so wie wir römischen Hengste! – und euch die Schwuchteln auf den Sack gehen.«
Und Sandro ist nicht der Einzige, der findet: »Du bist kein echter Muslim!« Da ist zum
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