Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)
verstehst, dass du mich nicht für das
verurteilst, was ich bin.
An diesem Abend hast du mir versprochen, dass du den anderen nichts sagst, weil du weißt, wie sie reagiert hätten. Die anderen sind nicht du. Sie hätten sich von mir
abgewandt.
Bis heute bin ich dir dankbar dafür, dass du dein Versprechen gehalten hast. Als Schwuler hat man es nicht leicht, von anderen akzeptiert zu werden. Auch wenn ich meinen Kumpels Ehrlichkeit
schulde und ich mit einem Outing testen könnte, ob sie wahre Freunde sind, will ich dieses Risiko nicht eingehen.
Ich kehre aus meinen Gedanken zurück, schaue zu den Jungs, die sich einen Kurzen nach dem anderen hinter die Binde kippen. Ich warte darauf, dass sie genug intus haben und das Spiel
beginnen, das so höllisch auf der Zunge brennt, den Mund betäubt. Dafür müssen sie sich wahrlich Mut antrinken.
Ich frage mich, ob du heute mitmachst. Oder willst du mich dieses Mal beeindrucken und die harte Nummer durchziehen? Ohne Alkohol diese Dinger schlucken?
Ich kann nicht sagen, wie viel Scoville die Chilis haben, aber für Weicheier sind sie nichts. Bis jetzt hast du dich immer geweigert, bei diesem Spiel mitzumachen, hast in Kauf genommen,
dass dich die anderen als Flasche bezeichnet haben. Es macht für dich keinen Sinn, sich den Mund zu verbrennen, deine Schmerzrezeptoren unnötig zu reizen. Außerdem können dich
die Wetteinsätze nicht locken, bei diesem Schwachsinn mitzumachen. Entweder geht es um Geld oder um Frauen. Mit beidem kannst du genauso wenig anfangen wie ich, wobei Letzteres mich auch nicht
wirklich verwundert.
Wie gesagt, ich beobachte dich nicht erst seit heute.
Die Jungs sind blau genug, dass sie es wagen, das Spiel zu beginnen. Die Schüssel mit den roten Früchten wird in der Mitte des Tisches platziert, und großspurig wetten sie, wer
dieses Mal als Erster aussteigt. Ich halte mich aus dieser Sache gänzlich heraus und kümmere mich nicht darum, was ihnen für Blödsinn einfällt. Stattdessen schaue ich
gespannt zu dir und erkenne, dass du unschlüssig zu den Chilischoten siehst. Was wirst du tun?
Nach einer Weile lehnst du dich zurück und wendest mir den Blick zu. Ein wissendes Lächeln huscht über meine Lippen. Nichts anderes habe ich erwartet.
Während die Jungs beginnen, die Chilis zu essen und ihnen dabei Tränen in die Augen treten, schaue ich in den Himmel. Die letzte Helligkeit der Sonne hat sich restlos verzogen, und die
ersten Sterne zeigen sich am Firmament. Ich blende das Grölen um mich herum aus und halte mir vor Augen, wie es wäre, dich zu berühren. Über deinen Körper zu streichen,
deine Haut zu streicheln, deine Nippel zu reizen, deine Lippen zu küssen oder deinen Schwanz zu schmecken.
Das Blut schießt mir in die Lenden und ich unterdrücke ein Stöhnen…
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als ich angestoßen werde. Erwartungsvoll sehen mich meine Kumpels an, und ich frage mich, was ich verpasst habe. Schließlich wird mir klar,
worüber sie gerade diskutiert haben. Die erste Runde des Spiels ist vorbei, nun wird ein neuer Wetteinsatz gefordert.
Hinsichtlich dessen bin ich ein wenig irritiert, war es den Jungs sonst auch egal, um was es ging. Aber langsam lichtet sich der Nebel, und ich bin überrascht von dir. Warum willst du
ausgerechnet jetzt mitmachen? Wieso forderst du die Siegerprämie von
mir
?
Was du verlangst, verschlägt den anderen die Sprache und mir schier den Atem. Deine Stimme wird mit dem Wind getragen, deine Worte hallen über den nun totenstillen Garten. Selbst die
Grillen haben ihr Zirpen eingestellt. Du hast dich von den anderen überreden lassen, mitzumachen. Aber nur unter der Bedingung, dass du einen Kuss von mir bekommst.
Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll. Du meinst es todernst, siehst mich herausfordernd an.
Was willst du damit bezwecken? Willst du heute dein Versprechen mir gegenüber brechen? Die Jungs sind so besoffen, dass sie den Ernst der Lage nur halb erfassen, alles als Spaß
ansehen. Sie feuern mich an, zuzustimmen und mich auf diesen Mist einzulassen.
Ich starre dich verständnislos an, und allmählich wird dir dein Fehler bewusst. Doch bevor du einen Rückzieher machen kannst, gebe ich mein Einverständnis. Jetzt will ich
dich leiden sehen. Ich denke, die Chilis sind Strafe genug für dein Fehlverhalten mir gegenüber.
Ein teuflisches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, während ich dich dabei beobachte, wie du die roten Früchte isst. Die erste bringt
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