Kräuterquartett 01 - Das Rascheln von Rosmarin
seinen dunklen, nasskalten Gängen und Ohren, die überall zwischen den Wänden lauschten.
Sie beugte sich vor und drückte ihrer Mutter einen sanften Kuss auf das erschöpfte Gesicht. „So Gott will, werde ich Seine Majestät sehen und an Eure Seite zurückkehren, bevor zwei Monde vorüber sind“, sagte sie zu Allegra.
~*~
London!
Maris setzte sich im Sattel auf, weil sie jedes Detail vom Gewusel in dieser Stadt in sich aufsaugen wollte. Die Straßen waren schmale, ausgetretene Wege, deren Seiten Gebäude säumten und in denen überall Müll verstreut lag. Händler verkauften zwischen den vielen Fußgängern ihre Waren und wichen geschickt immer wieder den Hufen von Pferden aus, die am kurzen Zügel gehalten wurden.
Es war noch lauter, als sie erwartet hatte, und viel dreckiger. Aber in Maris’ unschuldigen Augen wohnte der reichen Auswahl an unterschiedlichen Menschen in den überbordenden Gassen auch eine gewisse Schönheit inne. Da sie Hickory ritt, machte sie sich wenig Sorgen darum, ob sie in den Abfall traten, der hier überall herumlag. Stattdessen bestaunte sie – wie das Mädchen vom Lande, das sie ja war – einfach alles, während Raymond de Vermille die berittene Gesellschaft von Langumont zum Palast des Königs führte.
Als er neben ihr zu reiten kam, strahlte sie ihn mit einem Lächeln an, das seit dem Tod ihres Vaters eher selten vorgekommen war. „Es ist wundersam laut“, bemerkte Maris zu ihm. „Und es erweckt den Anschein, als würde es nie aufhören sich zu bewegen.“
„So ist es, Mylady, laut und schmutzig“, erwiderte Raymond. „Und kein sicherer Ort, Lady Maris. Ihr werdet nur in Begleitung von mehreren Wachen Ausflüge nach draußen machen.“ Seine Worte waren nur ein schwacher Versuch, denn er wusste nur zu gut, dass sie gewohnt war zu kommen und zu gehen, wie es ihr beliebte. „Ich habe Sir Garrek mit der Nachricht von Eurem Eintreffen zu seiner Majestät gesandt. Es wird noch ein paar Tage dauern, bis der König Euch empfangen wird.“
„Gut. Dann werde ich Zeit genug haben, um mich einzuleben und mich am Hof zurechtzufinden. Ich hoffe, dass ich Gemächer innerhalb des Palastes und in der Nähe der anderen Damen bei Hofe habe.“ Maris’ Aufmerksamkeit wurde von einem Verkäufer in einer ungewöhnlichen Tracht abgelenkt: lange, weite, staubige Gewänder und ein Kopfschmuck aus Tuch, der ihm um das Haupt und das Gesicht gewickelt war. Er erinnerte sie an den Guten Venny, denn er hatte die gleiche dunkle Haut und ihr Lehrmeister hatte ähnliche Kleidung getragen. Die Waren des Mannes interessierten sie wenig, aber das kleine, pelzige Tier, das ihm auf der Schulter saß, veranlasste sie dazu, Hickory zum Stehen zu bringen, um einen genaueren Blick darauf zu werfen. „Sir Raymond, seht Euch doch nur dieses Tierchen an!“
Der Ritter hielt neben seiner Herrin an, „ja, Mylady. Man nennt es Affe und es kommt von weit her, vielleicht aus Jerusalem selbst.“
Die übrigen Soldaten näherten sich ebenfalls Maris und Raymond, was zu einem großen Stau auf der Straße führte. „Mylady“, sagte Sir Raymond, während er versuchte ihre Aufmerksamkeit von dem Tierchen da, das sie derart faszinierte, weg zu lenken, „lasst uns weiter zur Burg. Wir können zu diesem Markt hier wieder zurückkehren, wenn Ihr es wünscht, und ich verspreche Euch, Ihr werdet mehr zu sehen bekommen als ein kleines Äffchen.“
Maris nickte zur Zustimmung. Sie könnte das Spektakel von London ein andermal bestaunen und begaffen. Jetzt musste sie leider auf Sir Raymond hören und weiterreiten.
Der Gesellschaft wurde Einlass gewährt in die inneren Höfe von Westminster und Sir Raymond half Maris von ihrem Reittier herunter. In der Burg drinnen, deren große Halle von niemand anderem als Wilhelm dem Eroberer errichtet worden war, begrüßte der Truchsess die Herrin von Langumont und wies ihr den Weg zu den Gemächern, die sie bewohnen würde und die sich in der Nähe von denen weiterer Mündel des Königs befanden.
„Mündel des Königs“, murmelte Maris bitter zu sich selbst und die vollen Lippen wurde ihr dabei zu einem schmalen Strich. Es war das erste Mal, dass ihr die Realität ihrer veränderten Lage aufging, und die Konsequenzen davon waren ihrer Selbstbeherrschung nicht unbedingt zuträglich.
Sie folgte einem Pagen durch die verschlungenen Gänge des Schlosses und wurde dabei auf einmal Gewahr, wie sehr ihr Leben sich verändern könnte. Das
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