Kräuterquartett 01 - Das Rascheln von Rosmarin
Dirick, als der sich näherte, dann zu Merle, dann wieder zu Dirick.
Der jüngere Besucher war offensichtlich blutsverwandt mit dem älteren: er hatte die gleichen, blassblauen Augen, die etwa so farblos wie Eis waren und dünnes Haar von dem gleichen Farbton hing ihm strähnig bis zu den Schultern herab. Er war ein recht großer Mann – sicherlich so groß wie Dirick – mit einem sonnengebräunten, breiten Gesicht und vollen Lippen.
Als Dirick dem Vater die Hand zum Gruße reichte, fühlte er, wie der jüngere d’Arcy ihn mit Blicken durchbohrte. Ein unerklärlicher Anflug von Widerwillen erfasste ihn und in einem Moment ehrlicher Selbsterkenntnis verstand Dirick auch warum.
Dieser Mann sollte Maris bekommen.
„Sir Dirick de Arlande, bitte begrüßt Lord Michael d’Arcy von Gladwythe und seinen Sohn, Sir Victor.“
Dirick umschloss das von Michael d’Arcy angebotene Handgelenk mit festen Griff. Erneut spürte er ein prickelndes Unwohlsein bei dem seltsam Widerschein in diesen blassen Augen. Hatte der Mann Fieber oder war er lediglich erschöpft von der Reise?
Dann drehte er sich um, um den Sohn zu begrüßen, wobei er den Widerwillen und die Abneigung, die ihn jäh überfallen hatten, unterdrückte. „Sir Victor“, sprach er und nahm sich viel Zeit, den anderen Mann zu betrachten, als er noch überlegte, woher er den Namen kannte.
„Sir Dirick de Arlande“, sagte Lord Michael da nachdenklich, wobei er sich mit einem Finger langsam an seiner vollen Unterlippe entlangfuhr. „Ich glaube nicht, dass ich zu Hofe von Euch habe reden hören.“
„Wohl schwerlich“, Diricks Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln, „das wäre recht unwahrscheinlich, denn ich bin erst kürzlich aus Paris zurückgekehrt und habe nicht viel Zeit am Hofe Eures Plantagenet verbracht.“ Seine Worte waren schwer eingefärbt mit dem echten, französischen Akzent, den er sich im Dienste der Königin von Aquitaine zugelegt hatte. Er war entschlossen seine wahre Beziehung zum König und zur Königin nicht preiszugeben.
Merle mischte sich ein. „Sir Dirick hat für seine Reise durch England um Beistand gebeten. Ich habe ihm vielerlei Aufgaben aufgetragen in den letzten beiden Wochen hier auf Langumont.“
Michael trank von einem Kelch warmen Weins, wischte sich dann anmutig die Lippen mit seinen Fingern ab und schaute sich in der großen Halle um. „Und wo mag die liebliche Lady Maris sein? Ich bin sehr gespannt sie bald kennenzulernen. Und Victor ebenso, da bin ich mir sicher.“
Dirick nahm den kleinen Stachel von Verärgerung bei sich wahr und erkannte ihn zu gut als solchen, bei dieser Erwähnung der bevorstehenden Verlobung – dann schob er es wütend von sich. Warum sollte er auch nur einen weiteren Gedanken daran verschwenden, dass der Mann hier Maris von Langumont ehelichen würde?
Die Lady bot dem Auge viel Hübsches – und den Lippen ausgesucht Köstliches –, aber Diricks Interesse an ihr ging nicht darüber hinaus, selbst wenn er zu heiraten wünschte. Es stimmte, sie war eine gute Schachspielerin und auch geistreich, aber das machte keinen Unterschied für Dirick. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen, für seinen König wie auch für seinen Vater – und er hatte ohnehin schon genug Zeit hier auf Langumont vergeudet.
In dem Augenblick rief Merle quer durch die Halle, „Allegra, meine Gemahlin, kommt und begrüßt unsere Gäste!“
Die zarte Frau hatte soeben die Halle betreten, sehr wahrscheinlich hatte man sie beim Eintreffen der Besucher aus ihrer Kemenate rufen lassen. Sie glitt über den mit Stroh ausgelegten Boden.
Merle streckte die Hand nach ihr aus und zog sie in den Kreis aus Männern dort am Feuer, wo sie dann endlich die Augen hob. „Frau, darf ich Euch Victor d’Arcy und seinen Vater Lord Michael von Gladwythe vorstellen.“
Diricks Aufmerksamkeit war ganz auf Allegra gerichtet, als sie knickste und ihrem zukünftigen Schwiegersohn zunickte. Sie wandte sich zu Sir Michael um und Dirick sah, wie ihre Augen riesig wurden, ihr Mund sich zu einem stummen Schrei öffnete und er schaute zu, wie sie ohne einen Laut ohnmächtig auf dem Boden zusammensackte.
Der Raum befand sich sofort in höchster Aufregung. Merle sprang mit einem Aufbrüllen auf die Beine und starrte hilflos auf den kleinen Haufen zu seinen Füßen. Auf Michaels Gesicht war kein Schock zu erkennen und Dirick hatte in der Tat bemerkt, dass er unter ihnen allen noch am
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