Kraft des Bösen
elektronischen auf Sichtweite, um ihn auszulösen. Dennoch ist das Risiko einer Fehlfunktion enorm.«
»Andere Möglichkeiten«, sagte Saul.
»Das Gewehr«, sagte Cohen. Die zweite Zigarette war fast aufgeraucht. »Damit hat man eine sichere Entfernung, Zeit für den Rückzug, es ist selektiv und fast immer präzise, wenn man es richtig handhabt. Die Waffe der Wahl. Hochgeschätzt von Lee Harvey Oswald und James Earl Ray und zahllosen anderen. Bringt aber ein paar Probleme mit sich.«
»Welche?«
»Zuerst einmal, vergessen Sie diesen Fernsehquatsch, wo der Heckenschütze sein Gewehr in einem Aktenkoffer mitbringt und es zusammenbaut, während sich das Opfer gehorsam an seinen Platz begibt. Gewehr und Z i elfernrohr müssen kalibriert, auf Entfernung und Winkel und Windgeschwindigkeit und den Drall der Waffe selbst eingestellt werden. Der Schütze muß Erfahrung im Umgang mit der Waffe, mit Entfernung und Projektilgeschwindigkeit haben. Ein militärischer Scharfschütze arbeitet mit Entfernungen, wo das Opfer zwischen Schuß und Treffer noch Zeit hat, drei Schritte zu gehen. Haben Sie Erfahrung mit Gewehren, Saul?«
»Seit dem Krieg nicht mehr ... dem Weltkrieg«, sagte Saul. »Und selbst da nie, um einen Menschen zu töten.«
»Aber nur dazu taugen sie etwas«, sagte Cohen. »Ich habe Sachen von Ihrer Liste da hinten - die irrwitzigste Auswahl an
Material, die ich jemals aufspüren mußte -, aber kein Gewehr.«
»Was ist mit Sicherheit?« fragte Saul.
»Ihrer oder deren?«
»Deren.«
»Was soll damit sein?«
»Wie wird man damit fertig?«
Cohen hielt seine Zigarette im europäischen Stil und sah blinzelnd in den Tunnel aus Licht, den die Scheinwerfer in die Nacht schnitten. »Sicherheit - Leibwächter und so weiter - ist bestenfalls ein vergeblicher Versuch, das Unvermeidliche hinauszuzögern, wenn es jemand darauf angelegt hat, Sie zu töten. Wenn das Opfer ein öffentliches Leben führt - Verpflichtungen -, können die besten Sicherheitsmaßnahmen dem erfolgreichen Täter nur die Flucht erschweren. Sie haben die Folgen letzten Monat gesehen, als ein ahnungsloser Tolpatsch beschlossen hat, daß er den amerikanischen Präsidenten mit einer Spielzeugpistole Kaliber 22 erschießen möchte .«
»Aaron hat mir gesagt, Sie bilden Ihre Agenten an 22er Berettas aus«, sagte Saul.
»Das haben wir in den letzten Jahren«, sagte Cohen, »aber sie haben sie aus der Nähe eingesetzt, wo man mit Messern rechnen würde, in Situationen, wo es darauf ankommt, leise und schnell zu sein, und nicht auf Feuerkraft. Wenn wir ein Team losschicken würden, um jemanden zu töten, dann wäre es ein Team ... das dem Opfer wochenlang gefolgt wäre, die Operation geübt und die Fluchtmöglichkeiten ausgelotet hätte. Dieser Junge, der letzten Monat versucht hat, den Präsidenten zu erschießen, hat das mit ebensowenig Vorbereitungen gemacht, wie Sie oder ich zur Ecke gehen und eine Zeitung kaufen würden.«
»Und was beweist das?«
»Es beweist, daß es so etwas wie Sicherheit nicht gibt, wenn man vorhersehbaren Pfaden folgt«, sagte Cohen. »Ein guter Sicherheitsverantwortlicher wird nicht zulassen, daß sein Klient einem bestimmten Zeitplan folgt, bestimmte Wege nimmt oder Auftritte festlegt, die öffentlich bekannt werden könnten. Unvorhersehbarkeit hat Hitler mehrmals das Leben gerettet. Sie ist der einzige Grund, weshalb es uns bisher noch nicht gelungen ist, die drei oder vier Top-Palästinenser auf unserer Abschußliste zu erledigen. Von wessen Sicherheitsmaßnahmen sprechen wir denn in dieser hypothetischen Diskussion?«
»Hypothetisch?« sagte Saul. »Unterhalten wir uns einmal hypothetisch über die Sicherheitsvorkehrungen von Mr. C. Arnold Barent.«
Cohen drehte ruckartig den Kopf herum. Er schnippte die Zigarettenkippe zum Fenster hinaus, zündete sich aber keine neue an. »Haben Sie darum die Akten über Barents Sommerlager verlangt?«
»Wir sprechen von einer hypothetischen Situation«, sagte Saul.
Cohen strich sich mit einer Hand durch das Haar. »Großer Gott, Mann, Sie sind verrückt.«
»Sie haben gesagt, Sicherheitsmaßnahmen sind ein hoffnungsloser Versuch, das Unvermeidliche hinauszuzögern«, sagte Saul. »Bildet Mr. Barent da eine Ausnahme?«
»Hören Sie«, sagte Jack Cohen, »wenn der Präsident der Vereinigten Staaten irgendwo hin reist ... irgendwohin, und sei es nur, um die Oberhäupter anderer Staaten in abgeschlossenen Sicherheitsbereichen zu treffen -, dann geht den Sicherheitsleuten der
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