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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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versuchte aufzustehen, aber jedesmal wenn sie die Füße unter sich brachte, rutschten die Kufen weg und sie landete wieder auf der Kehrseite. Ein Schlittschuh hatte sich gelöst und hing nur noch an einem grünen Gurt. Sie drehte sich auf die Knie und war nur noch Zentimeter von Robs unglaublich breitem grauen Rücken entfernt, als der Kopf des Hundes durchbrach. Fasern Fleisch und Hemd klebten an den Wangen und Zähnen des Dings. Es schlug um sich, um das Loch zu vergrößern; seine Augen funkelten irre, die kräftigen Kiefer mahlten wie die eines Hais.
    Natalie kroch zwei Schritte rückwärts, aber weiter konnte sie sich nicht mehr bewegen. Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf den Hund konzentriert, während dieser knurrte und schnappte und zappelte, um zu ihr zu gelangen. Inzwischen hatte er die Öffnung mit Hals und Schulter überwunden. Speichel und Blut spritzten auf sie. Sie konnte das dunkle, matte Fell an Schultern und Vorderpfoten des Dings erkennen, als es sich aus der Höhle aus Fleisch befreite. Es war, als würde man einer gräßlichen, alptraumhaften Geburt beiwohnen und dabei die ganze Zeit wissen, daß die Geburt des anderen den eigenen Tod bedeutete.
    Aber es war das Gesicht, das Natalie in Bann zog, sie zur Reglosigkeit verdammte und bewirkte, daß die Schwäche des Entsetzens wie Erbrochenes in ihrem Hals hochstieg. Denn über dem dunklen Fell der kräftigen, bohrenden Schultern und kratzenden Pfoten, über der Stelle, wo das blutverschmierte Fell zu Blaugrau verblaßte, da begann das Weiß - die weiße Totenmaske von Melanie Fullers Gesicht, die von einem irren Grinsen und dem schlechtsitzenden, übergroßen Gebiß verzerrt wurde, dessen Zähne Zentimeter von Natalies Augen entfernt zu funkelnden weißen Spitzen wurden.
    Das Hundeding stieß ein Heulen aus, verkrampfte den ganzen Körper zu einem wilden, blutigen Aufbäumen der Anstrengung, und wurde geboren.
    Natalie erwachte ruckartig und rang nach Luft. Sie streckte die Hand zum Armaturenbrett des Lieferwagens aus und stützte sich ab. Der Wind, der zum offenen Fenster hereinwehte, trug den Geruch von Abwasser und Dieselabgasen mit sich. Scheinwerfer strahlten sie über die mittlere Leitplanke der Interstate hinweg an.
    Saul sagte mit leiser Stimme: »Vielleicht ist der Rat, den ich brauche, wie man jemanden tötet.«
    Cohen sah ihn von der Seite an. »Ich bin kein Killer, Saul.«
    »Nein. Ich auch nicht. Aber wir beide haben schon viele sterben sehen. Ich habe es kaltblütig und effizient in den lagern gesehen, schnell und achtlos in den Wäldern, heißblütig und patriotisch in der Wüste und willkürlich und gemein auf der Straße. Vielleicht wird es Zeit, daß ich lerne, wie man es professionell macht.«
    »Sie möchten ein Seminar über das Töten?« fragte Cohen.
    »Ja.«
    Cohen nickte, kramte eine Zigarette aus der Packung in seiner Hemdentasche und steckte sie mit dem Zigarettenanzünder des Lieferwagens an. »Diese Dinger hier töten«, sagte er und blies Rauch aus. Ein Wohnmobil rauschte mit fünfundsiebzig Stundenmeilen an ihnen vorbei.
    »Ich habe an etwas gedacht, das schneller geht und nicht so viele unschuldige Mitmenschen in der Umgebung mit gefährdet«, sagte Saul.
    Cohen lächelte und redete mit der Zigarette im Mund. »Die beste Methode, jemanden zu töten, ist die, sich einen anzuheuern, der gut töten kann.« Er sah Saul an. »Das ist mein Ernst. Alle machen das - KGB, CIA, sämtliche kleineren Fische dazwischen. Die Amerikaner waren vor ein paar Jahren vollkommen aus dem Häuschen, als sie erfuhren, daß die CIA Profikiller der Mafia angeheuert hatte, um Castro auszuschalten. Wenn man genauer darüber nachdenkt, ist es eigentlich ganz logisch. Wäre es moralischer, Mitglieder der Agentur einer demokratischen Regierung auszubilden, daß sie Leute niederschießen? Dieses ganzes James-Bond-Zeug ist blanker Unsinn. Professionelle Killer sind kontrollierte Psychopathen, etwa so mitfühlend wie Charles Manson, aber mit mehr Selbstbeherrschung. Wenn man Leute der Mafia nimmt, wird die Aufgabe ebenso ordentlich erledigt, und man hindert diese speziellen Psychopathen sogar ein paar Wochen daran, andere Amerikaner zu töten.«
    Cohen fuhr einen Moment schweigend weiter, und seine Zigarette glühte jedesmal auf, wenn er inhalierte. Schließlich schnippte er die Asche zum Fenster hinaus und sagte: »Wir greifen alle auf Söldner zurück, wenn es um vorsätzliche Morde geht. Als ich noch im Land arbeitete, gehörte zu meinen Aufgaben

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