Krafttraining - Die 100 Prinzipien
zu belasten, findet sich schon seit vielen Jahrzehnten in den Weider-Trainingsprinzipien als Peak-Contraction-Principle (Prinzip der Spitzenkontraktion). Es wird empfohlen, die Lastbedingungen einer Übung so zu gestalten, dass in der maximalen Verkürzung des Muskels die höchste Belastung (und damit eine maximale Aktivierung) auftritt. Durch ein kurzes isometrisches Verharren in dieser Position bei jeder Wiederholung kann dann ein besonders hoher Trainingsreiz gesetzt werden. Ein Praxisbeispiel: Beim normalen Langhantel-Bizepscurl im Stehen ist die Aktivierung trotz Endkontraktion durch den kurzen Lastarm am obersten Punkt der Bewegung gering. Durch ein Vorneigen des Oberkörpers (mit angelegten Oberarmen) oder eine Durchführung am Seilzug (Zug von vorn unten) lässt sich die höchste Belastung in den Bereich der Endkontraktion lenken (siehe Foto).
IDurch ein Bizepstraining am Seilzug kann der höchste Widerstand in die Position der maximalen Verkürzung gesetzt werden.
Beide Prinzipien (Endkontraktion, Spitzenkontraktion) haben den Vorteil einer erhöhten Aktivierung des Muskels, der für die Effektivität eines Hypertrophietrainings (Massezuwachs) und Kraftausdauertrainings sinnvoll eingesetzt werden kann. Für andere Zielsetzungen (Schnellkraft, intramuskuläre Koordination) oder im Training sportartspezifischer Bewegungsabläufe macht die gezielte Betonung dieses Teilbereichs der Bewegungsbahn häufig keinen Sinn. Es ist vor allem ein Ansatz für den Bereich Fitnesstraining und Bodybuilding und kann zudem als Variation im Grundlagentraining eingesetzt werden. Zu dem Prinzip der Teilbewegungen in der Dehnstellung ist anzumerken, dass auch einige Streckübungen (nicht nur Beuge- und Zugübungen) in der Endkontraktion ihre höchste Aktivierung haben, z. B. Beinstrecken am Gerät oder die Trizepsübung »Back-Kicks« (der Oberarm wird bei vorgeneigtem Oberkörper in der Waagerechten gehalten). In welchem Teil der Bewegungsbahn die höchste Aktivierung eintritt, ist also immer von der spezifischen Form der Übungskonstellation abhängig.
VERWEISE:
Winkelspezifische Kraft ( 19 )
Beweglichkeit ( 17 )
Widerstandsarten ( 49 )
23
Crossing-Effekte
Das Prinzip des kontralateralen Transfers
Die meisten Menschen sind Rechtshänder und schreiben daher mit der rechten Hand. Ist man aufgrund einer Verletzung der rechten Hand gezwungen, mit der linken Hand zu schreiben, so geht dies meist überraschend gut, wenn man bedenkt, dass man es nicht geübt hat. Diese Übertragung von Trainingsreizen auf die Gegenseite nennt man einen kontralateralen Transfer bzw. Crossing-Effekt. Dass diese Übertragungen stattfinden, ist für das koordinative Lernen gut belegt. Sie beziehen sich sowohl auf die Hände bzw. Arme als auch auf die Füße bzw. Beine.
Das Phänomen des kontralateralen Transfers wird über die Ausbreitung von Nervenimpulsen auf die Gegenseite während einer Übung erklärt bzw. über die Ausbildung generalisierter motorischer Bewegungsprogramme, die – einmal erlernt – variabel eingesetzt werden können. Bei einem Krafttraining kann man während der Übungsausführung mit dem rechten Arm auch eine Muskelaktivierung im linken Arm messen. Diese liegt jedoch normalerweise unterhalb einer trainingswirksamen Reizschwelle, z. B. bei 20 % MVC (Hollmann & Hettinger 2000, S. 232). Dennoch sind auch im Krafttraining kontralaterale Effekte – also Kraftzuwächse – bei einem einseitigen Training erzielt worden. Diese erklären sich allerdings vorrangig über koordinative Effekte, weniger über eine Muskelhypertrophie. Kraftleistungen hängen bekanntlich in hohem Maße von der inter- und intramuskulären Koordination ab. Daher muss der koordinative Lerneffekt für die Gegenseite sich auch auf Kraftleistungen günstig auswirken.
Insbesondere im rehabilitativen Training, z. B. nach Verletzungen, wenn die betroffene Extremität geschont werden muss, bietet sich ein kontralaterales Training an, um die schonungsbedingten Kraftverluste in Grenzen zu halten. Ist ein Kraftgewinn bzw. die Minderung eines Kraftverlusts durch kontralaterales Training erwünscht, so sollte mit hoher Intensität (= schweren Gewichten) und maximaler Anstrengung trainiert werden, da hierdurch eine höhere Aktivierung der nicht-trainierenden Seite erzielt werden kann und die Kraftgewinne deutlich höher liegen als bei niedrigen Belastungsintensitäten. Kraftsteigerungen in Größenordnungen von 50 % des Zuwachses der trainierten Gegenseite oder mehr
Weitere Kostenlose Bücher