Kraftvolle Visionen gegen Burnout und Blockaden
Schuld innerlich zur Ruhe zu kommen. Ich verdränge die Schuld nicht, sondern ich gehedurch sie hindurch in diesen schuldlosen Raum in mir. Dort habe ich weder Angst vor dem inneren Richter in mir, noch vor dem Urteil äußerer Richter. Wenn ich mich schuldig fühle, finde ich keinen Zugang mehr zu meiner inneren Quelle. Die Schuldgefühle trennen mich von meiner inneren Mitte. Sie rauben mir alle Energie. Daher ist es so wichtig, sich immer wieder in diesen inneren Raum der Stille zurückzuziehen, in dem ich mich rein und klar fühle, ohne Schuld und ohne Angst, dass irgendjemand mir Schuldgefühle einimpfen könnte. Ich verleugne meine Schuld nicht. Aber ich gehe durch die Schuld hindurch in den Raum, zu dem die Schuld keinen Zutritt hat, in dem ich rein und klar bin. Dort finde ich meine Identität.
Und schließlich: Dort, wo das Reich Gottes in mir ist, wo Gott in mir wohnt, dort kann ich auch bei mir selbst wohnen. Gott ist – so sagt es der große Theologe Karl Rahner – das unergründliche Geheimnis. Dort, wo das Geheimnis Gottes in mir wohnt, kann ich bei mir daheim sein. Die deutsche Sprache verbindet die Worte Heim, Heimat und Geheimnis. Daheim sein kann man nur, wo das Geheimnis wohnt.
Das ist also das erste Bild von Ritualen. Sie schaffen eine heilige Zeit und einen heiligen Ort.
Ein zweites Bild ist mir ebenfalls wichtig: Rituale schließen eine Tür und öffnen eine Tür.
Rituale schließen eine Tür und öffnen eine Tür
Menschen, die am Burnout leiden, können nicht mehr abschalten. Sie sind unfähig, die Tür der Arbeit zu schließen. Dann sind sie nie bei sich. Auch wenn sie daheim sind, geht ihnen die Arbeit noch nach. Und der Konflikt, den sie in der Arbeit erlebt haben, verfolgt sie sogar noch im Urlaub. So können sie sich gar nicht erholen. Rituale schließen die Tür der Arbeit. Das kann verschieden aussehen. Ich kann zum Beispiel kurz innehalten, bevor ich mein Büro verlasse. Ich versuche, die Arbeit bewusst hier in diesem Raum zu lassen. Ich atme langsam aus und lasse im Ausatmen alles los, was heute in diesem Raum geschehen ist. Ich schließe gleichsam die Tür der Arbeit und gehe nun befreit und froh nach Hause, um dort die Tür der Familie und der Freiheit zu öffnen. Dann kann ich ganz dort sein, wo ich gerade bin. Wenn ich die Tür der Arbeit nicht geschlossen habe, wird mich alles in der Familie aufregen. Die Kinder kommen und sind unruhig. Sie nerven mich. Doch die Kinder merken genau, ob ich die Tür der Arbeit geschlossen habe. Wenn ich sie geschlossen habe, dann kommen die Kinder auch, aber sie spüren, dass der Vater oder die Mutter ganz präsent ist. Und so sind sie schnell zufrieden und widmen sich wieder den eigenen Spielen. Wenn sie jedoch spüren, dass Vater oder Mutter innerlich zerrissen sind, dann steckt einer den anderen mit seiner Unruhe an, und die gemeinsame Zeit wird anstrengend. Dann hat man den Eindruck: Alles wird zu viel, die Arbeit, die Familie, die Kinder, die vielen Erwartungen, die von außen auf einen einstürmen. Wenn ich die Türe derArbeit geschlossen und die Tür der Familie geöffnet habe, dann bin ich ganz gegenwärtig. Dann ist für mich die Zeit in der Familie eine Erholung. Ich bin ganz da und kann mich einlassen auf die Kinder oder auf das, was gerade daheim wichtig ist. Aber es ist nicht eine Fortsetzung der Arbeit, sondern ein Eintauchen in eine andere Welt, die mich befreit von dem Druck der Arbeitswelt. Nach einem Vortrag in einer Hochschule sprach ich noch mit dem Rektor und seiner Frau. Die Frau sagte zu ihrem Mann: »Hast du genau hingehört, was P. Anselm gesagt hat? Ich habe dir schon oft gesagt: Wenn du im Wohnzimmer sitzt, möchte ich mit dir reden und nicht mit der ganzen Hochschule.« Das führt uns zu einem dritten Bild:
Rituale bringen mich in Berührung mit mir selbst
Wenn ich sage, dass Rituale mich in Berührung mit mir selbst bringen, dann meine ich damit: Ich steige bewusst aus dem Hamsterrad aus und spüre mich selbst. Ich tue bewusst etwas für mich. Ich lese und tauche in das Lesen ein. Ich gehe spazieren und bin ganz im Gehen. Ich laufe und überlasse mich dem Laufen. Ich meditiere und komme in Berührung mit meiner eigenen Mitte. Immer wenn ich mich selbst spüre, fällt die Beeinflussung von außen von mir ab. Ich bin bei mir und nicht bei den Problemen der Arbeit, nicht bei den Erwartungen. Wenn ich mich spüre, dann hat all das Äußere keine Macht über mich. Und ich kann mich viel besser abgrenzen von dem, was
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