Kramp, Ralf (Hrsg)
James-Bond-Zimmer im ersten Stock bekommen. Damit er sich schon mal einfühlen kann.
»Wir haben an diesem Wochenende einen äußerst verzwickten Fall zu lösen«, beginnt Henriette mit rauchiger Stimme. »Im Hunsrück hat sich ein Wilderer herumgetrieben, der es auf Dackel abgesehen hatte. Es ist der Fall des bekannten Dackelmörders …«
»Kenne ich!«, ruft einer der Teilnehmer. »Ich denke, der Fall ist schon gelöst!«
»Es wäre ja gar kein Fall geworden, wenn der Mann nicht zweimal daneben geschossen und die Hundebesitzer erwischt hätte …«, Henriette macht eine kleine Pause. »Danach hat er sich in die Vulkaneifel abgesetzt. Es gibt mehrere Zeugen, die ihn in den letzten Wochen hier gesehen haben wollen. Wir werden also ein paar alte Akten wälzen, Spuren aufnehmen …«
»Und weil unsere Ermittlungstätigkeit zu ausgedehnten Spaziergängen Anlass gibt, will ich doch hoffen, dass Sie alle gut zu Fuß sind«, unterbricht Carolina ihre Partnerin. Sie ist zehn Jahre jünger und momentan fürs Organisatorische zuständig.
Er meldet sich. »Ich habe mir letzte Woche das linke Knie verrenkt, da ist es mit dem Laufen nicht so gut.«
Eberhard tritt ihn unterm Tisch und funkelt ihn böse an.
Zwei Damen in identisch grünen Kleidern möchten auch lieber im Hotel bleiben.
»Watt denn? Watt denn?«, schaltet sich ein Berliner ein. Bisher hätte bei Krimiwochenenden die Ermittlungsgruppe immer gemeinsam recherchiert, das sei auch sinnvoll.
»Wir können das ausnahmsweise arrangieren«, versucht Henriette zu vermitteln.
Und Carolina nickt dazu.
Nicht gerade ein schönes Gefühl, wenn man einen Gutschein geschenkt bekommt und den auch noch einlösen muss. Hätte man mir nicht einen Gutschein zur Mannschaftsweltmeisterschaft in Düsseldorf oder für eine Tischtenniswoche in Dubrovnik schenken können? Nein, es muss unbedingt Krimi sein. Ich wäre ja schon mit einem Jahresabo in unserem Fitnessclub
Dicker Bizeps
zufrieden gewesen. Stattdessen sitze ich im
Krimihotel
und darf mich blamieren
.
Ich kenne keinen Mann mit Namen Simenon. Nie gehört, den Namen, wirklich nicht. Soll ein Franzose sein oder ein Schwabe, mir doch egal. Gut, dass das nicht die Merkel war, hab ich natürlich schon gewusst, aber ich war bockig und wollte einen Witz machen. Nur: Diese Krimistrizzis verstehen keinen Witz
.
Ich hab meine Schläger mitgebracht und auch die Tischtennisklamotten, wird sich doch bestimmt jemand finden, der mit mir am Wochenende ein paar Stündchen trainiert
.
Die Hillesheimer spielen zwar sicher nicht in der Klasse, in der wir antreten, aber es gibt immer Gleichgesinnte, die es reizt, sich mit mir zu messen
.
Um allem die Krone aufzusetzen, haben die Tischtenniskameraden mir Eberhard als Aufpasser mitgeschickt. Ausgerechnet Eberhard, dem man zum Bier was zu trinken geben muss, damit er wach bleibt. Auch so ein James-Bond-Adept. Hat alle Filme mindestens dreimal gesehen, kann ganze Passagen von Gert Fröbe und Klaus Klinsmann, oder wie der heißt, auswendig. Hab ihn gefragt, ob er die Ausrüstung dabei hat, damit wir zwischendurch mal ein Spielchen machen können. Eberhard hat alles zu Hause gelassen, was mir Spaß bereiten würde. Absichtlich!
Wenigstens ist es mir gelungen, nicht durch die Gegend tapern zu müssen, von wegen linkes Knie verknackst. Ich bin topfit und wenn ich eine Platte zum Spielen finde, kann mich James Bond lange suchen
.
Als ich in mein Hotelzimmer gekommen bin, war ich entzückt: eine lebensgroße Frau im Bikini, gleich neben dem Bett. Irre gute Figur. Leider mit Goldfarbe angepinselt und ziemlich leblos. Eine Kleiderpuppe, wie neckisch. Auf dem Schildchen daneben steht ihr Name, Jill Masterson aus dem Film
Goldfinger.
Sacht mir nix. Aber wieso Finger? Die ist doch am ganzen Körper vergoldet
.
Auf der Kommode ein Cocktailglas mit Martini und Olive. Ist das für mich? In einem Glaskasten liegt ein Gebiss, scheint wohl ein Gast hier vergessen zu haben
.
An der Tür ein Knopf im roten Dreieck auf gelbem Grund:
Vorsicht! Auf keinen Fall den Knopf betätigen. Gefahr!
Warum sollte ich das tun? Nachher sprenge ich noch das ganze Hotel in die Luft
.
Obwohl nach der Blamage beim Bilderraten … hier könnte ich mal frischen Wind durchjagen
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Ein gellender Schrei. Die Teilnehmer des Krimiwochenendes, die nach dem Frühstück im Ermittlungszimmer über den Spurenakten des Dackelmörders brüten, sind in Aufruhr.
Die Rezeptionistin Elisabeth Kohlhaas stürmt herein. »Kommen Sie, kommen Sie
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