Kramp, Ralf (Hrsg)
schnell!«, ruft sie in heller Panik. Sie hat eine Frauenleiche auf dem Balkon vor dem Hitchcock-Zimmer entdeckt.
Die beiden Leiterinnen rennen los, gefolgt von der Gruppe. Nur Herbert bleibt auf seinem Platz. Er studiert die aktuelle TT-Rangliste von Niedersachsen. Die hat er zwischen die Akten geschoben und immer, wenn er nicht beobachtet wird, geht er die einzelnen Namen durch.
Den Egon putz ich von der Platte und den Georg gleich mit
…
»Herbert, auf, du fauler Schleich. Es geht los!«
Missmutig erhebt er sich, nachdem er den Zeitungsausschnitt mit der Rangliste wieder zwischen die vergilbten Akten geschoben hat.
Die Leiche auf dem Balkon hat kaum mehr an als die Bikinifrau aus
Goldfinger
.
Herbert schaut sich im Zimmer um. Über dem Doppelbett hängt ein riesiges Schwarzweißbild. Ein pausbäckiger Mann, nicht gerade eine Schönheit, schaut grimmig drein. Neben dem Bett ein Filmplakat:
Rebecca
, einige Szenenfotos. Nicht mal die Namen der Schauspieler sagen ihm was.
Auch hier gibt es einen Knopf an der Zimmertür. Herbert spitzt seinen Zeigefinger, drückt trotz der ausdrücklichen Warnung darauf und dann ertönt das wilde Geschrei des Mordes hinter dem Duschvorhang aus
Psycho
.
Entsetzt fahren die Teilnehmer herum.
»Das ist ein Indiz«, sagt eine Frau, »die Leiche ist nicht zufällig auf dem Balkon vor Alfreds Raum gefunden worden.«
Wer ist denn schon wieder dieser Alfred? Lauter Experten und ein Trottel. Und der bin ich
.
Als ob diese Nackte auf dem Balkon wirklich tot wäre. Wahrscheinlich Marmelade statt Menschenblut, oder was die beim Film so verwenden
.
Einer zückt eine Digitalkamera
.
»Bitte keine Fotos«, sagt die ältere der beiden Pseudo-Polizistinnen. »Nicht von dieser Leiche!«
»Ja, aber wir müssen doch …«, entrüstet sich der Fotografierende
.
»Der Augenschein muss uns hier genügen. Suchen Sie lieber nach Indizien!«
In diesem Augenblick kommt der Notarzt mit fliegendem Haar und kleinem Köfferchen. Er stellt, wie erwartet, den Tod der Nackten fest. So eine Überraschung aber auch
.
Eberhard ist schon ganz bei der Sache. Er doziert über eine andere nackte Frauenleiche, die er bei einem Wochenende in Bad Berleburg aufzuklären hatte
.
Frauenleichen sind seine Spezialität. Sagt er jedenfalls, wenn wir donnerstags nach dem Match in unserer Stammkneipe ein paar Bierchen zischen
.
Im Zimmer der Toten liegt ein Foto von einem Dackel. Aha, da geht’s also lang
.
Zu dem Rauhaardackel könnte ich was erzählen. Aber von mir bekommt keiner was zu hören. Suche nur noch eine Gelegenheit mich davon zu machen. In diesem Hillesheim muss es doch einen Sportverein geben
.
Ich bin ambulanter Tierpfleger. Für die exotischen Fälle. Leguane, die Küchenmesser verschluckt haben, japanische Giftfische in der Badewanne, afrikanische Sandhörnchen, die den Verstand verloren haben. Dann werde ich gerufen und muss versuchen, die Tiere wieder zur Räson zu bringen
.
Ab und zu darf ich am Stammtisch was davon erzählen, aber meistens geht es um James Bond. Und warum dieser Daniel Crack eine Pfeife ist und Roger Moschus niemals an diesen Schotten rangekommen ist
.
Bei der Zusammenstellung der Ermittlungsgruppen hat sich der Berliner den Tischtennisfreunden aus Delmenhorst und den beiden Damen in Grün, Regula und Nina, angeschlossen. Er will den Leiter dieser Truppe geben. Eberhard hat nichts dagegen, Herbert interessiert es nicht.
Die Hamburgerinnen haben einen genauen Plan, wie sie vorgehen müssen. Sie wollen das Hotel von unten nach oben durchsuchen.
»Wenn man uns hier schon recherchieren lässt, wird es auch verwertbare Hinweise geben«, sagt Nina.
»Vielleicht schaffen wir es ja als Erste, den Fall zu lösen«, fügt Regula an.
Herbert stiehlt sich davon, als Eberhard auf die Toilette gegangen ist. Die schaffen es auch ohne mich, denkt er.
Kriminalhaus
steht in großen Lettern auf der Hausfront. Scheint ja hier ein Nest zu sein.
Im Buchladen fragt er eine schlanke Brünette, ob es hier irgendwo eine Turnhalle gebe.
»Ja sicher!« Sie beschreibt ihm den Weg. Und weil sie so freundlich zu ihm ist, lässt Herbert seinem Unmut Lauf und sagt, er sei zu einem Krimiwochenende eingeladen worden. Nun solle er seine kriminalistischen Fähigkeiten beweisen. »Denn es gibt schon eine Tote! Da ist zwar der Notarzt gekommen, aber bisher wurde die Leiche noch nicht abtransportiert. Oder können Tote in Hillesheim alleine zum Leichenschauhaus gehen?«
Die Frau lacht. »Sie sind kein
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