Krampus: Roman (German Edition)
schaltete sein Funkgerät ein.
»Chief, ich bin jetzt am Ort des Geschehens. Wir haben hier einen Notfall. Bitte um Anweisungen.« Nachdem er einige Sekunden gewartet hatte, die sich wie eine Ewigkeit hinzogen, drückte er erneut auf die Sprechtaste. »Chief, hören Sie mich?« Keine Antwort. Wo ist er? Warum braucht er so lange? Noel wechselte die Frequenz und setzte einen Funkspruch an die Einsatzzentrale ab. »Zentrale, ich habe hier einen zehn … einen zehn …« Mit einem Mal herrschte Leere in seinem Kopf, alle Codes waren wie weggewischt. »Ich habe hier einen Brand in der Methodistenkirche in Goodhope … möglicherweise gefährliche Verdächtige.« Als er merkte, dass seine Stimme laut und hektisch wurde, zwang er sich, langsamer zu sprechen. »Wir haben hier gleich einen ganzen Haufen Probleme! Schicken Sie sofort die Feuerwehr und den Rettungsdienst los … und geben Sie sofort dem Sheriff Bescheid!«
Seine Meldung wurde bestätigt, dann knackte das Funkgerät erneut, und Dillards Stimme war durch das Statikrauschen hindurch zu hören. »Halte durch. Ich fahre soeben über die First Street. Bin fast da.«
Noel setzte zu einer Antwort an, aber er vergaß, was er hatte sagen wollen, denn just in diesem Moment trat eine hoch aufragende Gestalt mit Hörnern aus der brennenden Kirche. Sie zog einen Weihnachtsbaum hinter sich her und trug einen Mann über der Schulter. Der Verdächtige passte exakt auf die Beschreibung, daran gab es keinen Zweifel. Als er den Mann von der Schulter in den Schnee warf, erkannte Roberts Pfarrer Owen, der verwirrt, aber unverletzt aussah.
Der Polizist legte mit dem Gewehr auf den Verdächtigen an – auf den Mann oder das Ungeheuer oder was auch immer – und versuchte, den Arm ruhig zu halten. »Gütiger Herr im Himmel! Dillard, du solltest schnellstens deinen Arsch herbewegen!«
***
Ein lautes Poltern ließ die Decke erzittern. Isabel und die anderen blickten nach oben.
»Was ist da oben los?«, fragte die Frau mit der Försterjacke.
Einen Augenblick später hörten sie Schreie und das Trappeln von Füßen über ihnen. Isabel ahnte bereits ziemlich genau, was da los war. Herrje, Krampus. Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?
Jemand brüllte von oben: »Feuer!« Im selben Moment strömte Rauch aus den Lüftungsschlitzen in der Decke.
»Raus hier!«, rief die Frau in der Försterjacke. »Es brennt! Macht alle, dass ihr rauskommt!«
Die Gruppe vor der Doppeltür drehte sich geschlossen um und rannte in Richtung Ausgang, wobei diejenigen, die direkt an der Tür standen, dagegengedrückt wurden. Da die Tür nach innen in Richtung Flur aufging, klemmte sie nun.
»Moment! Wartet!«, rief jemand. »Geht alle einen Schritt zurück.« Es war die Frau hinter Isabel, die in dem schlichten Kleid. Sie ging durch den Flur auf die Menschenmenge zu. »Bleibt ruhig. Ihr müsst ruhig bleiben.«
Eine der Flüchtenden versuchte, sich aus dem Gewirr zu lösen, aber die anderen drängelten in ihrer Panik nur umso heftiger. Isabel wollte vortreten und die Frauen eine nach der anderen zurückzerren, als sie plötzlich Schreie hinter sich hörte.
Mindestens ein Dutzend Personen hatten das Zimmer am anderen Ende des Flurs verlassen und trampelten auf sie zu. Lacy stand ihnen jedoch mitten im Weg. Isabel wollte zu ihr gelangen, aber sie war viel zu weit weg. Die Frau in dem Kleid packte Lacy und schob sie in die schmale Nische vor der verschlossenen Tür. Die anderen stürmten vorbei. Leider sah Isabel nicht, was als Nächstes geschah. Sie wurde zu Boden gestoßen und landete mitten im Gedränge.
Die Luft wurde stickig, der Rauch brachte alle zum Husten und heizte die Panik noch weiter an. Isabel merkte, dass sie feststeckte, und versuchte verzweifelt, zu atmen. Sie hörte ihren Namen, ein tiefer, donnernder Ruf, der das Geschrei und Geplärre übertönte. Dann ein gewaltiges Knacken und das Splittern von Holz, und mit einem Mal war Licht über der Doppeltür zu sehen. Es knackte erneut, wieder splitterte Holz, und ein Großteil der Tür wurde nach außen weggerissen. Da sah sie ihn, die leuchtenden Augen und die unverkennbare Gestalt. Mit riesigen Pranken griff Krampus nach der Tür, stieß ein Brüllen aus und zog kraftvoll daran. Der Rahmen sprang und zerbrach, ein Flügel löste sich und polterte auf die Stufen.
Vor ihnen stand der Herr der Julzeit, hoch aufragend und schrecklich, und hinter ihm seine Begleiter. Einzeln zog er die Frauen aus dem Gewirr und schob sie die
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