Krank (German Edition)
aber …«
»Aber Stone ist ja auch durchgeknallt«, beendete Cherry den Satz und zog los, um die Kollegen auf den neusten Stand zu bringen. Ich lief nervös im Raum auf und ab und begann, alle Informationen über die Tatorte zusammenzutragen. Das, was wir über die Opfer wussten, ließ ich erst mal außer Acht. Ich kochte Kaffee und konzentrierte mich auf die Zeitachsen, die ich mit den jeweiligen Sonnenaufgängen abglich. Ich machte Notizen, radierte sie wieder aus und begann von vorn.
*
Eine Stunde lang versuchte ich, Verbindungen herzustellen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, bis mich das Läuten meines Handys aus meinen Überlegungen riss.
»Detective Ryder? Hier spricht Judd Caudill. Ist Detective Cherry schon aufgebrochen? Sie wollte bei uns vorbeischauen und uns …«
Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Da die Fahrt schätzungsweise zehn Minuten dauerte, hätte Cherry dort allerspätestens vor vierzig Minuten eintreffen müssen.
»Wieso ist sie noch nicht bei Ihnen eingetroffen?« Mir brach der Schweiß aus.
»Keine Ahnung. Haben Sie eine Idee, wo sie stecken könnte?«
Ich bat Caudill, ein paar Streifen loszuschicken und nachzuforschen, ob sich irgendwo ein Unfall ereignet hatte. Und da ich nicht wollte, dass Cherrys Verschwinden sofort die Runde machte, riet ich ihm, die Hände vom Funkgerät zu lassen und stattdessen andere Kommunikationswege zu nutzen.
Anschließend rief ich McCoy an, der in den Wäldern herumstreifte, aber zwanzig Minuten später mit bangem Blick bei mir auf der Matte stand.
»Es ist noch zu früh, sich Sorgen zu machen, Lee«, meinte ich. »Alles Mögliche kann passiert sein. Vielleicht hatte sie einen platten Reifen oder musste kurz etwas besorgen. Vielleicht ist sie nach Hause gefahren, um etwas zu holen.«
»Klingt alles sehr plausibel«, erwiderte er sarkastisch.
»Schon gut.«
Eine Stunde später – es gab immer noch keine Spur von Cherry – fuhren McCoy und ich zu ihrem Blockhaus. Die Haustür war abgesperrt. »Hat sie irgendwo einen Schlüssel versteckt?«, fragte ich.
»Ich bin noch nie hier gewesen, obwohl sie mich schon häufiger zum Abendessen eingeladen hat. Es hat zeitlich einfach nie hingehauen. Wenn wir uns getroffen haben, dann immer im Restaurant.«
Da die Eichentür, die Cherrys Onkel Horace gebaut hatte, eher zu einer Burg als zu einem Blockhaus passte, demolierte ich die Scheibe eines Seitenfensters, entriegelte es, stieg ein und öffnete McCoy von innen die Tür. In dem dunklen, kühlen Haus roch es nach Frauendüften. In der Spüle standen ein Teller und eine Kaffeetasse. Das Bett war gemacht. Mein Blick fiel auf Cherrys Lieblingsfoto, das sie und Onkel Horace zeigte. Ihr strahlendes Kinderlächeln machte den leeren Raum gleich sehr viel wohnlicher.
»Sieht aus, als wäre alles noch so, wie sie es heute Morgen hinterlassen hat«, konstatierte ich.
»Auf ihrem AB sind einige Nachrichten«, meinte McCoy und spielte sie ab. Der erste Anruf stammte von einem Bankmitarbeiter, der Cherry die neue Super-Titanium-Kreditkarte anbot. Danach hörten wir eine Frauenstimme, die vom Akzent her – langgezogene Vokale und weiche Konsonanten – aus Kentucky stammen musste. Ihre Nachricht war keine Viertelstunde alt.
»Hallo, Detective. Hier spricht Daisy Lutes vom Finanzamt. Ich habe schon versucht, Sie auf dem Handy zu erreichen, aber Sie sind nicht rangegangen. Melden Sie sich bitte bei mir.«
Sie hinterließ ihre Nummer. Ich ließ mich auf die Couch fallen, rief Lutes an und erklärte ihr, dass Cherry und ich zusammenarbeiteten.
»Detective Cherry wollte Informationen über den Besitzer eines sechsundvierzig Morgen großen Geländes.«
Das Camp.
»Nun, da steht eine Zwangsvollstreckung an«, fuhr Miss Lutes fort. »Weil der Besitzer fällige Raten nicht mehr gezahlt hat.«
»Und wem gehört das Grundstück?«
»Allen Eckles.«
»Wem?«
»Der Kauf liegt schon … lassen Sie mich in den Unterlagen nachsehen … zwanzig Jahre zurück. Da steht es, Allen Eckles. Damals wohnte er in West Liberty. So wie es aussieht, ist Eckles verstorben, und der Staat hat die Zwangsvollstreckung beantragt.«
»Gehört das Gelände dem Staat?«
»Das konnte ich zuerst nicht herausfinden, weil die Unterlagen von damals nicht im Computer sind. Wir mussten ins Archiv. Wie dem auch sei … sieben Wochen nach Mr. Eckles’ Ableben wurde das Land für siebenundachtzigtausend Dollar versteigert.«
»Wer hat es gekauft?«, drängte ich sie.
»Hm, die
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