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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerley
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wirkungsvollen Rituals, und hinterher gehörte er wieder sich und nicht mehr einem anderen.«
    Cherrys Blick wanderte kurz zu dem weinenden Häufchen Elend hinüber.
    »Es fällt mir gewiss nicht leicht, ihn zu verhaften, aber …«
    Jeremy runzelte die Stirn. »Ein Tag in Freiheit nach zwanzig Jahren Kerker, und Sie wollen Taithering ins Gefängnis stecken? Erscheint Ihnen das angemessen, Detective?«
    »Selbstverständlich möchte ich sein Leid nicht noch vergrößern, auf der anderen Seite hat er gegen mehrere Gesetze verstoßen.«
    »Was hat er sich denn zuschulden kommen lassen?«
    »Erregung öffentlichen Ärgernisses, Leichenschändung. Das hat er sich selbst zuzuschreiben, Doc. Immerhin kam er aus freien Stücken zu der Aufbahrung.«
    »Er musste dorthin gehen, Detective Cherie«, entgegnete mein Bruder. »Nur so konnte er seinem Peiniger gegenübertreten und seine Vergangenheit abschütteln.«
    »Ach ja?«, entgegnete Cherry. »Da drängt sich mir allerdings eine Frage auf, Doktor: Warum hat Taithering nicht gewartet, bis Sonny Burton unter der Erde liegt? Dann hätte er ihn ausbuddeln und die ganze Nacht auf ihn eindreschen können.«
    »Eine sehr kluge Überlegung«, lobte mein Bruder. »Nur wäre das die Tat eines Feiglings gewesen, und für Taitherings Erlösung waren drei wichtige Elemente erforderlich: Er musste ein persönliches Risiko eingehen, Burton musste im buchstäblichen Sinn das Gesicht verlieren, und diese Schmach musste dem Toten in aller Öffentlichkeit zugefügt werden. William Taithering hat – ohne es zu wissen – auf sein Unterbewusstsein gehört.«
    »Gefahr, Vernichtung, Bloßstellung?« Cherry erschauerte und suchte meinen Blick. »Ryder, Sie haben Psychologie studiert. Was halten Sie von dieser These?«
    Ich nickte zustimmend, obwohl ich – um ehrlich zu sein – deutlich länger gebraucht hätte, um zu derselben Einschätzung zu gelangen, aber wenn es darum ging, durch die abgründigen Gewässer der menschlichen Seele zu navigieren, war mein Bruder ein wahrer Odysseus.
    »Na, dann werde ich mich mal unter vier Augen mit Taithering unterhalten«, verkündete Cherry.
    *
    »Das ist wirklich der pure Wahnsinn«, meinte sie auf der Rückfahrt nach Woslee County. Wir hatten Taithering in seinem Bungalow in Augusta zurückgelassen. »Falls Krenkler mir auf die Schliche kommt, reißt sie mich in Stücke. Und meine Vorgesetzten werden gar keine andere Wahl haben, als mich meines Postens zu entheben und … Puh, ich will gar nicht weiter darüber nachdenken.«
    »William Taithering hat Ihnen die Wahrheit gesagt«, sagte Jeremy.
    Cherry nickte. »Burton fungierte als Mentor oder eine Art großer Bruder. Sicherlich sollte er als Vorbild dienen. Stattdessen hat er die Jugendlichen mit Unmengen von Schnaps und Pornographie versorgt. Und seine zwischenmenschlichen Beziehungen lebte er während eines Wochenendtrips auf dem Boden seines Imbisswagens aus. Am 23. Juni, wie Sie sich denken können. Der völlig verwirrte Teenager ließ Burton ein paar Monate gewähren, bis dieser – wie ich vermute – sich jemand Neuen ausguckte.«
    »Wieso hat Taithering sich nie jemandem anvertraut?«, wunderte ich mich.
    »Sie wissen doch, wie so etwas läuft. Burton hat Taithering davon überzeugt, dass die Initiative von ihm ausgegangen ist. Hätte er den Mund aufgemacht, hätten seine Eltern, die sehr gläubig sind, davon erfahren und …«
    »… ihn von da an mit ganz anderen Augen betrachtet«, beendete ich den Satz für sie.
    »Genauso verhalten sich Frauen, die vergewaltigt wurden.« In Cherrys Stimme schwangen Trauer und Zorn mit.
    »Sie tun das Richtige«, versicherte ich ihr.
    »Hätten Sie auch so gehandelt, Ryder? Diese Art von …« Ihr stockte der Atem.
    Eine Viertelmeile die Straße hinunter tauchten zwei schwarze Streifenwagen auf, die mit eingeschalteter Sirene auf uns zugebraust kamen.
    »Fahren Sie ab«, riet ich Cherry.
    »Wohin denn?«
    »Dort drüben gibt es eine Zufahrt, die zu einer Farm führt.«
    Cherry riss ruckartig das Lenkrad herum und schlitterte auf den unbefestigten Weg. Nach ein paar Metern bremste sie. Wir drehten die Köpfe und sahen, wie die beiden Fahrzeuge an uns vorbeijagten. Im vorderen Wagen saß Krenkler. Eine Sekunde später verschwanden die Autos hinter der nächsten Anhöhe.
    »Habe ich richtig gesehen?«, fragte Jeremy.
    Cherry nickte. »Ja, Doktor. Das FBI hat von William Taithering erfahren.«

Kapitel 24
    Wir kehrten auf die Hauptstraße zurück und

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