Krank (German Edition)
selbst sei an ihn herangetreten.«
»Woher soll ein Kerl wie Bobby Lee jemanden wie Slezak kennen?«, überlegte ich. »Es muss jemand anders dahinterstecken.«
Ich setzte mich hin und blätterte eine drei Tage alte Zeitung durch, die ich im Aufenthaltsraum der Mitarbeiter gefunden hatte. Doc Wainwright vertrieb sich das Warten mit dem Studium von Patientenakten. Ein Geräusch drang aus dem Hypnoseraum. Ich spitzte die Ohren, hörte aber nichts mehr und konzentrierte mich wieder auf meine Zeitung.
Fünfundzwanzig Minuten später legte ich das Nachrichtenblatt weg. Wieder drang ein Geräusch aus dem Zimmer, das sich für mich wie ein Quieken anhörte. Und dann stöhnte jemand ganz deutlich. Ich blickte zu Wainwright hinüber.
»Scheiß auf die Vertraulichkeit«, sagte sie und drehte sich zu dem Beobachtungsraum um. »Irgendetwas läuft da aus dem Ruder.«
Gemeinsam stürmten wir in das Zimmer hinter dem Spiegel. Slezak sprang auf und funkelte uns wütend an. »Ich möchte, dass Sie sofort wieder verschwinden!«
Ohne auf ihn einzugehen, liefen wir zu dem Spiegel. Wie ferngesteuert schwenkte Bobby Lee Crayline den Kopf hin und her und riss den Mund auf, als wollte er einen Schrei ausstoßen, doch die dicke Glasscheibe ließ kein Geräusch durch.
»Dr. Needles hat etwas ausgelöst, das sehr schmerzhaft ist«, konstatierte Wainwright.
»Wenn Sie nicht sofort den Raum verlassen, zerre ich Sie vor den Kadi«, brüllte der Anwalt. »Ich werde dafür sorgen, dass Sie …«
Slezak verstummte, als Crayline so laut aufheulte, dass wir es auch ohne angeschaltetes Mikrophon hörten. Sein Körper zuckte unkontrolliert. Er ballte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder. »Die Hypnose ist viel zu tief«, warnte Wainwright. »Keiner weiß, was Crayline gerade durchmacht.«
Als Bobby Lee abermals aufschrie, vibrierte die Glasscheibe, und ich schaltete die Lautsprecher ein.
» ICH HABE SIE IRRTÜMLICH GETÖTET «, schrie Bobby Lee wie von Sinnen. » JETZT STECKEN SIE FÜR IMMER DORT FEST! «
Needles schaute völlig verdutzt aus der Wäsche. Die Worte ergaben keinen Sinn. Bobby Lee begann auf und ab zu springen, als wollte er mit dem Kopf die Decke berühren. Immer wieder hüpfte er nach oben und heulte dabei, als brenne der Boden unter seinen Füßen. Er ging in die Knie, sprang, ging in die Knie und sprang wieder. Bridges rannte zu Crayline hinüber und versuchte, ihn in den Schwitzkasten zu nehmen.
Crayline riss einen Arm in die Höhe. Die Sicherungskette peitschte durch die Luft. Mir wurde eiskalt ums Herz. Offenbar war es Crayline gelungen, ungeahnte Kraftreserven zu mobilisieren und den Eisenring aus dem Betonboden zu reißen.
»Er hat sich befreit«, rief ich.
Voller Entsetzen verfolgte ich, wie der Wahnsinnige mit seinem Schädel gegen Needles’ Kopf schlug, woraufhin der Hypnotiseur gleich einem Ballon, aus dem die Luft entweicht, in sich zusammenfiel. Bridges versuchte, Crayline mit einem Tritt in die Eier schachmatt zu setzen, traf allerdings nur dessen Schenkel. Der Irre duckte sich, rammte Bridges mit der Schulter, drückte ihn zuerst gegen die Wand und dann zu Boden. Anschließend drehte Bobby Lee sich um und stierte in den Spiegel. Da war er wieder, dieser Blick eines tollwütigen Wolfes, der mir schon vorhin aufgefallen war.
Nun beugte Crayline Kopf und Oberkörper nach unten wie ein schnaubender Bulle, der jeden Moment angreift.
»Gütiger Gott«, flüsterte Wainwright. Es gelang mir gerade noch, sie wegzuziehen, bevor Crayline wie eine in der Hölle gezündete Rakete durch den Spiegel gesprungen kam. Ich warf mich auf ihn und versuchte, einen Arm um seinen dicken Hals zu schlingen. Doc Wainwright rief aus voller Kehle nach dem Wachpersonal. Gleich einem Hengst beim Rodeo bäumte sich Crayline auf und schleuderte mich quer durch den Raum. Bis ich wieder auf die Beine kam, hatte Crayline Slezak im Schwitzkasten und machte sich daran, dem Anwalt das Genick zu brechen. Ohne zu überlegen, umklammerte ich Craylines muskelbepackte Arme, die sich hart wie Kanonenkugeln anfühlten.
Alarm wurde ausgelöst. Wachen stürmten durch die Tür. Elektroschockpistolen kamen zum Einsatz. Wie ein Kind, das in einen tiefen Brunnen fällt, stieß der Irre einen letzten hohen Schrei aus, der mir durch Mark und Bein ging.
Und damit war die Hypnose von Bobby Lee Crayline beendet.
Kapitel 4
Wainwright und ich warteten in der warmen Sonne Alabamas, bis der ruhiggestellte Crayline – man hatte ihn auf eine
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