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Kraut und Rübchen - Landkrimi

Kraut und Rübchen - Landkrimi

Titel: Kraut und Rübchen - Landkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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seiner Frau Franziska – der Quelle des Weinens – und der Tochter Adelheid, einer Frau in den Dreißigern, war um den Misthaufen herum versammelt. Adelheid hatte den Arm um ihre Mutter gelegt und redete beruhigend auf sie ein. August ging irgendwie ziellos vor dem Misthaufen auf und ab.
    »Äh, ist irgendwas passiert?«, fragte Hinnerk unschlüssig.
    August bemerkte die beiden Ankömmlinge erst jetzt, unterbrach seinen Gang, wusste zunächst nichts zu sagen und deutete dann auf eine Stelle hinter einer etwa hüfthohen Mauer, die den Misthaufen vom Hof abgrenzte. Hinnerk lugte zögerlich hinüber und prallte zurück. Marie ebenfalls. Da, eingezwängt zwischen Misthaufen und Mauer, in einer braunroten Pfütze aus Blut und Gülle, lag der alte Bauer Friedrich Heckerhoff, Augusts Vater. Er war vollends bekleidet mit einem blau-grün karierten Flanellhemd, einer schwarzen Manchesterhose und dunkelgrünen Gummistiefeln. Die leeren Augen starrten in den Himmel, der Mund war halb geöffnet, als hätte er noch einen letzten Fluch ausstoßen wollen. Denn der alte Heckerhoff hatte zu Lebzeiten viele Flüche ausgestoßen.
    Marie schlug die Hände vors Gesicht, hoffte, das, was sie gerade gesehen hatte, würde sich dadurch restlos aus ihrem Gedächtnis löschen lassen.
    »Himmel Herrgott …«, entfuhr es ihrem Vater, und das war in der Tat bemerkenswert. Hinnerk führte niemals den Namen des Herrn im Munde, weder im Gebet noch als Fluch.
    »Jou«, war alles, was August dazu sagen konnte. Er stand da, mit hängenden Armen, den unvermeidlichen Strohhut in den Nacken geschoben, und war offensichtlich mit der Situation überfordert.
    Marie lehnte sich an eine Eiche, atmete tief ein und aus. Gott, wäre sie bloß eine Minute eher losgefahren, dann wäre ihr jetzt nicht so speiübel.
    »Äh«, Hinnerk schluckte und nahm sicherheitshalber die Pfeife aus dem Mund, »ich glaube, da müssen wir die Polizei anrufen. Und vielleicht einen Notarzt.« Er verzog den Mund. »Aber ich glaube, den Arzt können wir uns sparen.«
    Franziska, die immer noch hysterisch schluchzte, verlegte sich wieder aufs Jammern.
    »Oder braucht Franziska einen?«, vergewisserte sich Hinnerk.
    »Nein«, antwortete Adelheid leise, und jetzt bemerkte Marie, wie bleich die junge Frau aussah.
    Sie riss sich zusammen und half Adelheid, Franziska ins Haus zu führen, während Hinnerk seinem Nachbarn die Hand auf die Schulter legte und hoffte, dass der nun endlich die Polizei anrief. Aber August starrte nur auf die Leiche seines Vaters. Also folgte Hinnerk den Frauen ins Haus, wo er und Marie erst nach dem Telefon suchen mussten, denn Adelheid und ihre Mutter waren im Badezimmer und nicht ansprechbar.
    Marie konnte sich später nicht mehr genau daran erinnern, was sich an diesem sensationellen Tag, an dem der alte Friedrich Heckerhoff zu Tode gekommen war, alles zugetragen hatte. Wie es schien, war der alte Mann in aller Frühe auf den Hof gegangen, um die Arbeit seiner Familie – boshafte Stimmen sprachen von seinem Arbeiterstab – zu inspizieren und einen Grund zum Meckern zu finden. Am Misthaufen war er dann wohl fündig geworden und hatte sich ans Werk gemacht, dort Ordnung zu schaffen – was immer der alte Friedrich darunter verstanden haben mochte.
    Dabei war er auf einem diarrhöischen Kuhfladen ausgerutscht und in die Misthacke gefallen, die er selbst leichtsinnigerweise mit den Zacken nach oben dort hatte liegen lassen. So jedenfalls hieß es später im Polizeibericht nach ereignisreichen Tagen, in denen ein Stab von Polizeibeamten Befragungen durchgeführt hatte und am Heckerhoffschen Misthaufen das Oberste zuunterst gekehrt hatte.
    Die Birkendorfer gingen derweil ihrer Arbeit nach, steckten die Köpfe zusammen, und alle waren sich einig, dass Friedrich, dieser alte Bullerjan, so ein Ende hatte nehmen müssen. Da hatte der Herrgott aber mal den Richtigen am Schlafittchen gepackt. Auf seiner Beerdigung sollen keine Tränen geflossen sein. Und der anschließende Leichenschmaus im Gasthaus »Zum Heidehirsch« war aufgrund des übermäßigen Konsums von Bier und Weizenkorn zu einem ziemlichen Gelage ausgeartet, worüber Oma Minna sich angemessen entrüsten konnte. So waren alle zufrieden gewesen. Doch dieser Friede sollte nur von kurzer Dauer sein.
    Denn – wie sich im Laufe der nächsten Wochen herausstellte – war Friedrichs Tod nur die Fortsetzung einer alten, unvollendeten Geschichte.
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