Krautfunding: Deutschland entdeckt die Dankeschön-Ökonomie (German Edition)
Prinzip von Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung in Deutschland eine lange Tradition, Namen wie Schulze-Delitzsch oder Raiffeisen oder sind vielen ein Begriff. Deutschland ist ebenso ein Land der Vereine wie der Genossenschaften – und liegt damit voll im Trend. Das zeigte nicht zuletzt das 2012 von der UN ausgerufene „internationale Jahr der Genossenschaften“. Alleine im Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V. sind mehr als 20 Millionen Menschen organisiert. In Vereinen ist statistisch gesehen sogar jeder von uns aktiv, die mehr als 600.000 eingetragenen Vereine haben zusammen weitaus mehr Mitglieder, als es überhaupt Bundesbürger gibt. Aktionäre sind dagegen nur etwa eine Millionen Bundesbürger. Zwanzig mal mehr Menschen vertrauen also im Alltag lieber auf eine etwas andere Art von „shareholder value“ – sie investieren in die Solidargemeinschaft. (Im Web machen sie es aber inzwischen genauso. Zu den bisher erfolgreichsten Krautfunding-Projekten überhaupt gehört das genossenschaftlich organisierte Fairtrade-Portal „fairnopoly“.)
Möglicherweise liegt es ja hier, das Geheimnis des Krautfundings. Ohne eine Vorform der Finanzierung durch eine Crowd – nämlich die direkte Unterstützung durch möglichst viele Mitglieder – würden genossenschaftliche Ansätze ebensowenig funktionieren wie die typische deutsche „Vereinsmeierei“. Ebensowenig aber ohne das Bewusstsein der Unterstützer, dass ihr Beitrag, auch wenn er nur gering sein mag, einer Sache dient, die am Ende allen Mitgliedern oder „Genossen“ nützt. Einer Studie des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung zufolge spenden Bürger, die in Vereinen oder Verbänden engagiert sind, übrigens auch häufiger und mehr als andere. Dass gerade im deutschsprachigen Internet die virtuelle Thank-You-Economy einen solchen Boom erlebt, ist in dieser Hinsicht wohl kein Zufall. Die Bereitschaft, sich via Web 2.0 als Spender zu betätigen, knüpft direkt an positive Erfahrungen in anderen Bereichen des Alltagslebens an.
Das Internet ist durch Social Media-Anwendungen im besten Sinne zum sozialen Medium geworden. Es fördert soziales Verhalten innerhalb der neu entstandenen virtuellen Communities, aber auch darüber hinaus. Crowdfunding ist insofern viel mehr als ein Social-Media-Trend, der aus den USA zu uns herüberweht. Aus Crowdfunding ist Krautfunding geworden, ein eigenständiger Bestandteil der deutschen Netzkultur, und zugleich ein neuer Bereich der solidarischen Ökonomie.
6
Serviceteil
Kleines ABC des Crowdfunding
Alles-oder-nichts-Prinzip
( siehe Threshold-Pledge-System)
Backer
( siehe Unterstützer )
Crowdfunding
( Zusammensetzung aus „Crowd“ = Massen der Internet-Nutzer plus „Funding“ bzw. „Fundraising“ = Finanzierung, Mittelbeschaffung. In Deutschland auch als Schwarmfinanzierung, Massenspenden oder Krautfunding bezeichnet)
Das Wort entstand Mitte der Nuller Jahre im Zusammenhang mit dem Siegeszug der Social Media (Facebook, Twitter etc.) und des Micropayments (PayPal etc.). Klassische Formen des Spendensammelns wurden mit den neuen Interaktionsmöglichkeiten des Web 2.0 und elektronischen Bezahlmethoden verbunden. Neben Direktspenden über C.-Netzwerke (Flattr, Kachingle) werden die meisten Spenden projektbezogen auf C.-Plattformen gesammelt.
Crowdfunding-Kampagne
(„ Spendensammel-Aktion“)
auf Spendenplattformen ist jedes Projekt in verschiedene Phasen unterteilt. In der Start- bzw. Vorbereitungsphase ist die Projektpräsentation bereits online, es kann noch nicht gespendet werden. Um die Spendenphase zu erreichen, müssen zunächst genügend Fans für das Projekt gestimmt haben. Die Spendenphase selbst dauert in der Regel vier bis sechs Wochen, es sind jedoch je nach gewählter Plattform auch andere Zeitrahmen möglich. Während der Spendenphase gilt es nicht nur zahlende Unterstützer zu gewinnen, sondern auch die Zahl der Fans (Multiplikatoren!) weiter zu steigern. Projekt-Updates halten die Unterstützer auf dem Laufenden und geben der C.-Kampagne ihre eigene Dramaturgie. Das Spendenziel wird oft bereits vor Ablauf des Enddatums erreicht, der endgültige Erfolg einer Spendenkampagne kann deswegen auch am Grad der „Überzeichnung“ abgelesen werden (z.B. „Spendenziel zu 125 Prozent erreicht“).
Crowdsourcing
( Zusammensetzung aus „Crowd“= Massen der Internetnutzer plus „[Out]-Sourcing“)
Im engeren Sinne die Auslagerung von Arbeit auf die
Weitere Kostenlose Bücher