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Kreutzersonate / Eine Frage der Schuld

Kreutzersonate / Eine Frage der Schuld

Titel: Kreutzersonate / Eine Frage der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Lew u. Tolstaja Tolstoi
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verdreht, die Arme ungelenk verbogen.

    «Anna! Anna!», schrie der Fürst und versuchte sie hochzuheben. Doch die Krücke und das kranke Bein behinderten jede Bewegung.
    Er öffnete die Tür und rief nach Hilfe. Die Kinderfrau und der Lakai waren als Erste zur Stelle.
    «Die Fürstin ist unwohl, schnell einen Arzt!»
    Die Kinderfrau lief zu Anna und schrie auf:«Oh, sie hat sich verletzt, mein Mütterchen! Gott im Himmel!»
    «Sie hat sich nicht verletzt, ich habe sie umgebracht», sagte der Fürst.
    Die Kinderfrau sah ihn erschrocken an, bekreuzigte sich und murmelte:«Völlig den Verstand verloren hat er, unser Väterchen, er weiß selbst nicht, was er redet.»
    Sie brachte Wasser aus dem Toilettenzimmer des Fürsten, um Annas Schläfe zu befeuchten und ihr Gesicht zu bespritzen. Sie versuchte sie anzuheben, doch vergeblich. Daraufhin holte sie Hilfe, und zu zweit schafften sie es, die Verletzte zum Diwan zu tragen. Die Kinderfrau bat um Eis.
    Bald eilten auch die Kammerfrauen, die Wirtschafterin und die Engländerin herbei – alle in seltsamen Nachtgewändern. Durch den Lärm aufgewacht, kam – barfüßig, in ihrem Nachthemdchen
– auch die erschrockene Manja angelaufen, blieb in einiger Entfernung stehen und schrie:«Njanja, hat Mama sich was getan? Wird sie sterben? Njanja, liebste, wo ist Papa? Kommt der Doktor? Ein Loch in der Schläfe, es blutet! … Ei! Ei!»Das arme Mädchen zitterte am ganzen Körper.
    «Geh, leg dich hin, Manitschka, gleicht kommt der Doktor, alles geht vorbei. Mama ist hingefallen und hat sich verletzt, nicht so schlimm», tröstete sie die Kinderfrau, doch Manja sah ihrem Gesicht an, dass das nicht stimmte. Die Kinderfrau legte Eis an die Schläfe ihrer Herrin und betrachtete mit hoffnungslosem Blick deren regloses, bleiches Gesicht.
    «Ich gehe nicht, Njanja, ich habe Angst. Ich bleibe hier sitzen», sagte das Mädchen und hockte sich mit untergeschlagenen Beinen in den Sessel. Dabei sah es, weiter heftig zitternd und mit den Zähnen klappernd, unverwandt seine Mutter und die Kinderfrau an.
    Der Fürst war die ganze Zeit nicht im Raum. Er saß im Wohnzimmer und wartete auf den Arzt.
    «Das ist eine Ohnmacht», tröstete er sich.«Sicherlich wird sie gleich zu sich kommen. Jetzt sind dort Stimmen zu hören … So weit hat sie
mich gebracht mit ihrem Benehmen!», versuchte er sich zu rechtfertigen.«Ich kann doch nicht meine Ehre aufs Spiel setzen – ja die Ehre meines Geschlechts! Bei uns hat es nie sittenlose Frauen gegeben! Ich als Mann habe mich stets untadelig verhalten … Eine Schande für die Kinder, eine verderbte Frau zur Mutter zu haben! Und die Möglichkeit, dass ein Kind nicht von mir ist? …»
    Es schüttelte den Fürsten, das Entsetzen verzerrte sein Gesicht; er wollte aufstehen, fiel jedoch mit kraftlos geballten Fäusten in den Sessel zurück.«Na wunderbar, so musste es kommen …», entschied er.
    Auf dem Tisch stand eine Schale mit Pflaumen. Er nahm sich eine. Die alte englische Uhr mit ihrem feinen Klang schlug gemessen zwei Uhr. Im Dorf krähten die Hähne. Er blickte zum Fenster. Helle Sterne leuchteten hoch am Himmel, der Mond war untergegangen, es war kalt, und ihn befiel Schläfrigkeit.
    «Was war das bloß?», besann er sich plötzlich.«Sollte sie noch immer nicht zu sich gekommen sein?»
    Der Fürst stürzte zum Arbeitszimmer, als gerade der Arzt hereinkam. Der begab sich mit raschen Schritten zu Anna, entfernte den Eisbeutel,
hörte sie ab, fühlte den Puls, und sein Gesicht wurde immer düsterer.«Was ist passiert?», wollte er wissen.
    «Dieser Briefbeschwerer hier ist nach ihr geworfen worden», sagte der Fürst und hob den schweren Gegenstand, den bisher niemand bemerkt hatte, vom Fußboden auf.
    «Ja, und der Wurf war treffsicher. Der Puls ist sehr schwach und das Herz ebenfalls.»Der Arzt griff nach der mitgebrachten Tasche, entnahm ihr verschiedene Fläschchen und medizinische Mittel, bat die Kinderfrau, ihm zu helfen, und wandte sich wieder Anna zu.
    Ihr bleicher schöner Kopf lag erhöht auf dem ledernen Kissen des Diwans. Das schwarze, goldig schimmernde Haar umgab mit seinen Löckchen wie ein Heiligenschein ihr Gesicht, das Erschrockenheit und Strenge ausdrückte. Aus der tiefen dunklen Schläfenwunde sickerte immer noch Blut und rann über die blasse Wange auf das weiße Kleid.
    Der Arzt versuchte Anna zu sich zu bringen, doch alle seine Bemühungen vermochten nichts gegen ihre tiefe Ohnmacht auszurichten. Die Kinderfrau brachte die jetzt

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