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Kreuz des Südens

Kreuz des Südens

Titel: Kreuz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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sagte Weed, »aber ich muss schon früher da sein.« »Wann ist sie vorbei?«
    »Halb zwölf«, sagte Weed, »aber ich muss länger bleiben.«
    »Neun Uhr morgens bis ein Uhr nachmittags«, sagte die Richterin zu Brazil. »Und dann zurück ins Heim bis zum Tag der Verhandlung.«

35
    Am Morgen der Azalea Parade war Weeds Herz so leicht wie das Licht. Er wünschte, er könnte malen, wie er sich fühlte und wie dieser Morgen ihm vorgekommen war, als ihn Officer Brazil zur George Wythe High School fuhr, wo die Godwin Marching Band bereits wartete und sich einspielte. Weed war stolz, und er schwitzte in seiner roten, mit weißer Wolle abgesetzten Polyesteruniform mit den vielen Silberknöpfen und den Streifen an der Hose. Seine schwarzen Paradeschuhe sahen aus wie neu, die Sabian-Becken lagen blank geputzt in ihrem schwarzen Koffer auf dem Rücksitz. »Schade, dass du nicht mehr Zeit zum Üben hattest«, sagte Brazil.
    Weed wusste, dass er von den hundertzweiundfünfzig Bandmitgliedern wahrscheinlich der Einzige war, der eine ganze Woche bei den Proben gefehlt hatte. Er hatte weder Zeit gehabt, sich die Choreographie noch einmal genau anzusehen oder seinen Vorwärtsmarsch zu üben, das Auf-der-Stelle-Marschieren, den Rückwärtsmarsch oder seine Lieblingsfigur, den Krebs-Schritt, der eine Spezialität der Percussionabteilung von Godwins fein abgestimmter Präzisions-Marching-Band war. »Ich werd's schon schaffen«, sagte Weed und sah mit klopfendem Herzen zum Fenster hinaus.
    Die Menschenmenge begann sich bereits zu sammeln. Man rechnete damit, dass das Zuschaueraufkommen wohl das größte in der Geschichte der Parade sein würde. Das Wetter war perfekt, die Temperatur um die zwanzig Grad, es herrschte eine leichte Brise, am Himmel war nicht eine einzige Wolke zu sehen. Die Menschen breiteten Decken auf dem Boden aus, stellten Campingstühle auf, parkten Kinderbuggys und Rollstühle, und diejenigen, die entlang der Festzugsroute wohnten, hatten beschlossen, dies sei ein günstiger Tag für einen kleinen Yardsale vor dem Haus. Überall standen Polizisten in reflektierenden Westen, und noch nie hatte Weed so viele Verkehrshütchen gesehen.
    Brazil war besorgt. Tausende von Menschen strömten zusammen, und die Teilnehmer an der Parade füllten bereits den ganzen Parkplatz der George Wythe High School. Wenn Smoke einen Anschlag plante, wusste Brazil nicht, wie er in diesem Menschenauflauf einen einzelnen Teenager ausfindig machen sollte. Besonders, wenn niemand außer Weed zu wissen schien, wie Smoke in Wirklichkeit aussah.
    »Weed, ich möchte, dass du mir etwas versprichst, okay?«, sagte Brazil, als Weed seinen Beckenkoffer aus dem Auto nahm. »Du würdest doch Smoke oder einen anderen aus der Gang wiedererkennen.«
    »Und?«
    Weed war in Eile, schaute ängstlich zu seiner Marching-Band hinüber, die von seiner Warte wie ein heller rotweißer Fleck aussah, mitten in einem Meer aus bunten Uniformen, blinkenden Instrumenten und Säbeln, glitzernden Paradestöcken und wirbelnden Fahnen. In einer endlosen Reihe warteten die Festwagen. Die Freimaurer waren als Clowns kostümiert. Berittene Polizisten erlaubten Kindern, ihre Pferde zu streicheln. Historische Fahrzeuge ratterten über die Straße. »Wir sind besser als die«, sagte Weed und beobachtete das Navy-League-Kadettencorps beim Probemarschieren. »Schauen Sie sich den Bus an! Die Band ist extra den weiten Weg aus Chicago gekommen! Und die da aus New York!«
    »Weed, hast du gehört, was ich gesagt habe?«, fragte Brazil aus dem offenen Fenster heraus. Sergeant Santa winkte in die Menge. Ein Mädchen aus der Gruppe der Florettes verlor seinen Paradestock. Er fiel auf den Boden und sprang dort mehrmals auf. Leute, die in der Art des Alten Westen gekleidet waren, führten Miniaturpferde vor, in deren Mähnen Azaleenblüten steckten. Die Unabhängige Vereinigung der Rollstuhlfahrer-Athleten war startklar. Weed war wie geblendet. »Weed!« Brazil wollte schon aus dem Auto aussteigen.
    »Keine Angst, Officer Brazil«, sagte Weed, »ich werde es Sie wissen lassen.«
    »Wie?« Brazil wollte sich nicht an der Nase herumführen lassen.
    »Ich mache einen Riesenkrach und schlage meine Becken an einer Stelle, wo ich gar nicht dran bin«, sagte Weed.
    »Du spinnst wohl, Weed. Wie soll ich das denn merken bei dem ganzen Getümmel hier«, fuhr ihm Brazil dazwischen.
    Weed dachte nach. Sein Gesicht war angestrengt, dann fielen ihm die Schultern herunter, und mit gebrochener Miene sagte

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