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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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gesehen, sie müssen die Leitungen durch den
ganzen Park bis hier hoch gelegt haben.
    Plötzlich
treten zwei Männer aus den Büschen. Bevor mir das Herz in die Hose rutscht,
erkenne ich sie: Es sind die Kollegen Oberkommissare Matuschka und Beylich.
    »Du lieber
Himmel«, ruft Hünerbein erschrocken aus, »wie kommt ihr denn hierher?«
    »Wir waren
nur kurz pissen«, kräht Matuschka, und Beylich fügt hinzu: »Wir sind von hinten
durch den Park gekommen. Über die Dudenstraße. Vorn war uns zu viel los.«
    Geschickt,
denke ich. So sind sie um Inga Lenz herumgekommen.
    »Wart ihr
schon am Tatort?«
    »Ja, aber
wir können da noch nichts machen. Die Kollegen von der Kriminaltechnik
blockieren alles.«
    Ja, so kenne
ich Damaschke. Was seine Tatorte angeht, ist er immer äußerst penibel.
    »Die Frage
ist, ob der Fundort der Leiche auch der Tatort ist.« Beylich schnaubt
geräuschvoll in ein Taschentuch. »’tschuldigung, Allergie. – Also ich
persönlich hab da meine Zweifel.«
    Ein
schwarzer Saab 900 versperrt uns den Weg. Das skandinavische Automobil
unseres verehrten Rechtsmediziners Professor Dr. Hubertus Graber, im
Polizeijargon »der Totengräber« genannt. Wir müssen uns seitlich daran
vorbeizwängen. Es passt zu Graber, dass er seinen Wagen bis kurz vor den Tatort
fährt, über Wiesen und Fußwege und allen Verboten und Hundestaffeln zum Trotz.
Schon hört man ihn laut mit dem Spurensicherer diskutieren.
    »Ja, wenn
ich die Leiche begutachten soll, muss ich auch an sie heran, Damaschke. Sichern
Sie Ihre Spuren gefälligst woanders!«
    »Ich habe
den Tatort noch nicht freigegeben, Herr Dr. Graber! Sie werden sich noch
etwas gedulden müssen.«
    »Papperlapapp!
Zeit ist Geld!«
    »Morgen
allerseits!« Wir betreten die hell erleuchtete Szene wie Theatermimen die
Bühne. Heraus aus dem Dunkel der Büsche hinein ins Licht der Scheinwerfer. Ich
hätte die Sonnenbrille mitnehmen sollen, denn ich kann kaum etwas sehen, so
hell ist es. »Was haben wir denn heute?«
    »Bitte,
nicht weitergehen!« Damaschke springt uns in seinem weißen Ganzkörperoverall
entgegen. »Die Spurenlage hier ist äußerst sensibel.«
    Wir bleiben
wie angewurzelt stehen. Vor uns befindet sich eine kleine Brücke, die direkt
unterhalb des Viktoriadenkmals auf halber Höhe über den Wasserfall führt.
    »Wie lange
brauchste denn noch?«, erkundigt sich Hünerbein, und ich stelle erschrocken
fest, dass ich meine Zigaretten vergessen habe. Wartezeiten lassen sich am
besten rauchend überbrücken.
    »Ein paar
Fotos, hier und hier.« Damaschke zeigt auf die überall aufgestellten Schildchen
am Boden und bittet einen Fotografen, auch er im weißen Ganzkörperdrillich, mit
der Arbeit weiterzumachen. »Wir sind heute nur zu zweit«, erklärt er uns und
hebt bedauernd die Schultern, »die Kollegen sind alle in der Sommerpause.«
    »Tja.«
Hünerbein schaut zum Totengräber hinüber, der sich seitlich am Brückengeländer
vorbei in die Büsche geschlagen hat und sich an der dort aufgefundenen Leiche
zu schaffen macht. »Nur wir müssen arbeiten, was?«
    »Ich nehme
meinen Jahresurlaub ohnehin lieber im Winter.« Damaschke bückt sich und zieht
mit einem Kreidemarker einen weißen Strich auf dem Boden Richtung Leiche. »Die
kalte Jahreszeit unterbrechen, sozusagen. Letztes Mal war ich down under .
Die haben dann Sommer, und hier müssen alle frieren.«
    »Und wo
soll’s im nächsten Urlaub hingehen?«
    »Na, wieder
nach Australien.« Damaschke zieht einen zweiten Kreidestrich, parallel zum
ersten. »Das ist so ein Riesenland, das schaffste in einem Urlaub gar nicht.«
    »Kontinent«,
sage ich.
    »Was?«
Hünerbein und Damaschke starren mich an.
    »Australien
ist ein Kontinent.«
    »Aber auch
ein Land«, widerspricht Damaschke. »Die haben ja schließlich ’ne eigene
Regierung, eigene Fahnen und so.«
    »Und die
Queen«, weiß Beylich.
    »Eine
Queen?« Der Spurensicherer ist erstaunt. »Das wusste ich gar nicht.«
    » Die Queen«, wird Beylich deutlicher, und Matuschka fügt hinzu: »Elizabeth. The
Windsors. Charles und Di.«
    »Nee, nee,
das ist England«, winkt Damaschke ab. »Ich war in Australien! Die sprechen da
zwar auch Englisch, aber das ist down under , wie gesagt.«
    »Ja eben,
Commonwealth.« Hünerbein hebt spöttisch die dicken Arme und versucht, seiner
Stimme ein churchillsches Tremolo zu geben. »The
empires of the future are empires of the mind.«
    Wir wiehern
alle drauflos.
    Damaschke
freut sich höflich mit, weiß aber

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