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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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offensichtlich nicht, worüber. Dann zeigt er
auf seine beiden Striche. »Wenn ihr genau dazwischen bleibt, dürft ihr zur
Leiche. Aber nicht danebentreten!«
    »Natürlich
nicht.« Hünerbein kichert immer noch. »Sehr freundlich, vielen Dank.«
    Der
Totengräber hockt mit zerfurchter Miene vor einer Frauenleiche. Sie liegt
seltsam verdreht am Rande des Wasserfalls zwischen den feuchten Steinen und ist
vollständig bekleidet. Das grau melierte Haar der toten Frau ist am Hinterkopf
vom Blut dunkel getränkt.
    Eine
leichte Übelkeit steigt in mir auf. Sicherheitshalber wende ich mich ab. Das
ist heute alles nichts für mich. Ich sollte schlafen gehen, denke ich, mehr
macht keinen Sinn.
    »Und,
Professor«, erkundigt sich Hünerbein, »haben Sie uns schon was zu sagen?«
    »Schwere
Schädelfraktur.« Dr. Graber kommt hoch und zieht sich die Latexhandschuhe
aus. »Vermutlich todesursächlich.« Er gibt Hünerbein die Hand und will auch
mich begrüßen, stockt aber und saugt lautstark Luft durch seine Nase ein.
»Mensch, Knoop, da haben Sie aber wieder mächtig einen über den Durst
getrunken, was? Von Ihrer Fahne werde ich ja jetzt noch blau.«
    »Er wird
Vater«, strahlt Hünerbein. »Hat’s vorhin erst erfahren.«
    »Ist das
eine Freude!« Matuschka umarmt mich glücklich.
    »Gratuliere«,
knurrt Beylich und knufft mir in die Seite. »Kinder sind immer ein Segen.«
    »Ja.«
Graber seufzt schwer. »Nur leider können sie sich ihre Väter nicht aussuchen.«
    »Todeszeitpunkt?«
Bevor der Kerl weitere Unverschämtheiten von sich gibt, werde ich dienstlich.
»Gibt es Hinweise auf sexuellen Missbrauch?«
    »Keine
äußeren jedenfalls.« Der Totengräber schüttelt das Haupt. »Selbst einen Mord
kann ich noch nicht bestätigen.« Er zeigt auf die feuchten Steine am
Wasserfall. »Sie kann hier ausgerutscht und nur unglücklich gestürzt sein.
Todeszeitpunkt etwa zwischen null und ein Uhr.«
    »Die hatte
sie bei sich.« Damaschke kommt mit der braunen Lederhandtasche des Opfers
heran. »Zieh aber Handschuhe an!« Schon hält er mir die Pappschachtel hin, in
der er immer Einweghandschuhe bereithält.
    Ich ziehe
mir ein Paar über und öffne die Handtasche. Typischer Frauenkram liegt drin,
Schminkzeug, eine Haarbürste, zwei Lippenstifte und diverse Schlüssel. Zwei
davon, ein Autoschlüssel und einer, der wie für ein Vorhängeschloss aussieht,
sind mit Plastikanhängern versehen, auf denen handschriftlich jeweils dieselbe
kryptische Zahlen-Buchstaben-Kombination vermerkt ist. Wie ein Aktenzeichen.
Dann gibt es noch einen weiteren Schlüsselbund, an dem ebenfalls ein
Autoschlüssel baumelt. Die restlichen scheinen für Briefkästen, Haus- und
Wohnungstür zu sein. Ansonsten befinden sich in der Handtasche noch ein
Stadtplan, ein kleiner Terminplaner und eine Brieftasche mit diversen
Ausweisen, Kfz- und Führerschein sowie Bargeld in Höhe von
vierhundertzweiundfünfzig Mark und sechsundsiebzig Pfennigen.
    »Dann war’s
kein Raubüberfall«, folgert Matuschka, »sonst wäre die Kohle weg.«
    »Swantje
Steffens«, lese ich laut aus dem Personalausweis vor, »geboren am 17. Juli 1943
in Rostock, wohnhaft Nostitzstraße.«
    Ein anderes
Dokument weist sie als Vollzugsbeamtin des Kreuzberger Finanzamtes aus.
Interessant.
    »Kann das
ein Mordmotiv sein?« Ich zeige die Ausweise Hünerbein. »Die Frau hat
Steuersünder verfolgt.«
    »Ein Krebs,
aha!« Hünerbein interessiert sich mehr für das Geburtsdatum der Toten. »Die
sind besonders empfindsam. Harte Schale, weicher Kern sozusagen. Wir sollten
mal das Krebs-Horoskop für heute checken.«
    »Wir
sollten vor allem mal ihre Termine checken«, meint Beylich und blättert den
kleinen Taschenplaner durch.
    »Wie
gesagt, sie kann auch nur ausgerutscht sein«, wiederholt der Totengräber. »Die
Steine sind feucht und glatt.«
    »Ja, aber
was wollte sie hier? Wieso klettert eine Beamtin der Berliner Steuerbehörde nachts
um eins an diesem Wasserfall entlang? Durch Strauch und Busch, abseits der
Wege? Um dann hier auf den Steinen auszurutschen und sich den Kopf
einzuschlagen?«
    Ich will
dem Totengräber die Handschuhe zurückgeben, doch der winkt ab. »Die können Sie
entsorgen.«
    »Vielleicht
ist sie vor was geflohen?«, vermutet Hünerbein.
    »Vor wem?«
    »Vor ihrem
Verfolger natürlich.« Inga Lenz ist uns auf den Berg gefolgt und kommt heran.
»Das ist doch sonnenklar! Die Frau ist um ihr Leben gerannt und hier
verunglückt.«
    »Nicht
zwingend, verehrte Frau

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