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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Gleichstellungsgedanken.
    »Wir müssen
es ihr sagen.«
    »Bist du
verrückt?« Hünerbein tippt sich gegen die Stirn. »Ich bin heute genug von der
Dame angebrüllt worden. Mir reicht’s. Da soll die mal schön von selbst drauf
kommen.«
    Recht hat
er. Es ist ohnehin egal. Bei Inga Lenz kann man machen, was man will, der
Anschiss ist sowieso vorprogrammiert.
    »Danke,
Jürgen.« Ich muss dringend etwas essen. »Wir telefonieren später.«

5    »RUHE IST
WICHTIG.« Hünerbein
hat wieder zu seinem Thema gefunden. »Dann wird’s auch kein Schreikind. Das
gilt gerade bei Fischen: keine Hektik während der Schwangerschaft, kein Lärm.
Klassische Musik ist gut, aber leise.«
    Wir stehen
an der Imbissbude Katzbach-, Ecke Kreuzbergstraße. Hier gibt es alles: Pommes,
Currywurst, Döner, Zigaretten und Dosenbier. Um uns herum versprengte
Nachtschwärmer, ein Liebespaar, das sich gerade laut schreiend trennt, und ein
paar Jungs, die beschwichtigen wollen.
    Beylich und
Matuschka essen etwas abseits an einem der Stehtische Kartoffelsalat. Wir
hatten sie nach der Wiedervereinigung von der Ostberliner Volkspolizei
übernommen. Gute Ermittler, aber sie fremdeln noch mit ihrer neuen Umgebung und
halten gern Abstand. Vor allem Beylich, einst stolzer Kriminalmajor der VP ,
tut sich schwer im Westen. Für ihn sind wir Besatzer.
    Ich
bestelle mir eine Cola und spüle damit die Reste meines Döners herunter.
    »Haben wir
damals immer gemacht.« Hünerbein ist nicht zu bremsen. »Klassik gehört während
der Schwangerschaft, nicht zu laut, nicht zu dramatisch. Am besten romantische
Stücke von Schubert. Hört das Kind die Musik schon im Bauch der Mutter, wird es
sie auch später, wenn es dann geboren ist, mit Geborgenheit und Wärme in
Verbindung bringen. Mit Schutz.«
    »Willst du
nichts essen?«, frage ich ihn.
    »Danke,
nein. Und wenn dann das Neugeborene doch mal schreit, etwa weil es einen
Schreck bekommen hat oder nicht einschlafen will, brauchst du nur die Musik
anzumachen, die es schon während der Schwangerschaft gehört hat, und das Kind
wird sich augenblicklich beruhigen. Das klappt ganz prima, hab ich selbst
probiert. Man kann auch Schlager nehmen oder Volksmusik, bloß Punk und Metal,
also so richtig harten Rock – das mögen sie nicht.«
    »Willst du
wirklich nichts essen? Der Döner hier ist total lecker. Noch richtig mit
Lammfleisch.«
    Hünerbein
sieht zum Himmel, doch es sind keine Sterne zu sehen.
    »Erst ab
neun Uhr«, sagt er seufzend. »Dann bildet der Mond im Krebs ein Trigon mit
Uranus, und ich kann mir ein richtig reichhaltiges Frühstück gönnen, bevor es
gegen Mittag wieder in die Mondpause geht.« Er lächelt. »Ist nicht einfach, ich
geb’s ja zu. Aber«, er streicht sich den noch immer sehr umfangreichen Bauch,
»es hilft.«
    »Diese
Catherine musst du mir mal vorstellen.« Muss ja eine echt heiße Braut sein,
wenn sie Hünerbein so verbiegen kann. Mann, was hat der Kerl früher gefressen!
    »Ja, sie
wird dich mögen.« Hünerbein sieht zu, wie ich meine Cola trinke und mir eine
Zigarette anstecke. »Aber rauchen solltest du in ihrer Gegenwart nicht.«
    »Sag bloß,
du gewöhnst es dir ab!« Tatsächlich habe ich Hünerbein heute noch nicht rauchen
sehen. Wann hat er überhaupt das letzte Mal geraucht?
    »Ja, und du
wirst es nicht glauben: Es fällt mir leichter als gedacht.« Er macht ein
väterliches Gesicht. »Du solltest es auch lassen. Jetzt, wo du Vater wirst, ist
eine gute Gelegenheit dazu.«
    Ach ja? Ich
wüsste nicht, wieso.
    »Vor allem
solltest du nicht bei Monika rauchen. Aus Rücksicht, sie ist schließlich
schwanger. Und erst recht nicht in der Nähe eures neugeborenen Kindes.«
    Muss ich
mir das jetzt neun Monate lang anhören? Jeden Tag gute Ratschläge zur
Vaterschaft?
    »Du hast ja
sicher schon gehört, wie gefährlich passives Mitrauchen ist. Gerade Kleinkinder
werden dadurch enorm geschädigt. Also kannst du es auch gleich sein lassen.«
    »Jaah
doch!«
    »Bist du
genervt?« Erstaunt sieht er mich an. Ich kann sein Gesicht zwar nicht sehen,
weil er genau im Gegenlicht einer Straßenlaterne steht, weiß aber aus zwanzig
Jahren Zusammenarbeit, wie er in solchen Momenten guckt.
    »Nö, wie
kommst’n da drauf?«
    »Du bist
genervt«, da ist er sich sicher, »Männer sind immer genervt, wenn sie das erste
Mal Vater werden.«
    »Ich werde
nicht zum ersten Mal Vater.«
    »Nu hör
aber auf!« Hünerbein lacht amüsiert auf. »Melanie gilt nicht!«
    »Wieso gilt
die nicht?«
    »Weil

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