Kreuzstein
In ihr steckte der Sender. Plötzlich, ohne Vorwarnung, fing sein Körper an zu zittern, so als hätte er Schüttelfrost, genau wie damals. Ruckartig warf er den Sender auf den Sitz neben sich, krampfte beide Hände um das Lenkrad und unterdrückte einen Schrei. Mit dem Kopf schlug er heftig gegen das Lenkrad, immer wieder, immer wieder, bis er einen dumpfen Schmerz spürte und die Spannung langsam nachließ. Blind umfasste er den kleinen Kasten, hielt ihn zwischen den Beinen fest und betastete den kleinen Knopf. In diesem Moment tauchte ein Radfahrer auf, der ohne Beleuchtung aus einer Seitengasse in die Straße einbog. Er blickte sich einmal kurz um und verschwand dann in der Straße, die links an dem Gebäude vorbeiführte.
Der nächtliche Beobachter richtete sich langsam wieder auf. Mehrere Minuten lang verharrte er bewegungslos und entschloss sich schließlich, die Situation um das Gebäude neu einzuschätzen. Vorsichtig wand er sich aus dem Fahrzeug heraus, ohne die Tür vollständig zu öffnen, so als würde ein Bus an ihm vorbeifahren. Er war so konzentriert, dass er nicht merkte, wie ein altes, zusammengeknülltes Kaugummipapier unter den Wagen kullerte, als er die Tür schloss. Es war unbemerkt in der Hosentasche an den Rand gewandert. Fast katzenhaft schlich er sich direkt an der Häuserzeile entlang, etwa vierzig Meter, blieb an einem Wartehäuschen stehen und beobachtete kurz das gegenüberliegende Gebäude. Es schien alles ruhig zu sein.
Als er wieder in seinem Lieferwagen saß, atmete er bis an die Aufnahmegrenze ein und hielt die Luft an. Sechs Sekunden. Noch während der letzten Sekunde presste er den Handballen mit Schwung auf den kleinen Knopf und atmete zischend aus. Ein Blitz zuckte hinter den Fenstern im mittleren Stockwerk auf. Gleich darauf flackerte ein heller Schein hinter den kostbaren Gardinen. Schlagartig setzte das Geheul der Alarmanlagen ein.
| 8 |
»Sie können auf der Erdoberfläche nichts dauerhaft lagern. Dauerhaft, damit meine ich natürlich in geologischen Zeiträumen. Alles, aber wirklich alles unterliegt der Verwitterung, ist irgendwann aufgelöst, zerbröselt und ins Meer gespült. Sie müssten sich schon etwas einfallen lassen, wenn Sie Ihren Nachfahren in mehreren Millionen Jahren etwas von sich mitteilen wollen, das erhalten bleibt.«
Leises Getuschel ging durch die Reihen der Studenten.
»Aber so weit wollen wir gar nicht gehen. Denken Sie an die heutige Datenspeicherung. Wer von Ihnen kennt zum Beispiel noch Floppy Disks in 5¼-Zoll-Größe?«
Drei Arme hoben sich langsam.
»Sehen Sie, ein ehemals hochmodernes Speichermedium ist fast vergessen. Versuchen Sie einmal heute noch einen Rechner zu finden, auf dem diese Dinger gelesen werden können. Anders sieht es mit den CDs auch nicht aus. In hundert Jahren sind sie entweder zerfallen, oder es gibt keine Geräte mehr, die sie lesen können.«
»Papier hält auch nicht ewig«, kam es aus der zweiten Reihe.
»Nein, ewig nicht, aber stellen Sie sich einmal vor, die alten Ägypter hätten ihre Daten auf CD geschrieben. Dann wüssten wir gar nichts mehr von ihnen. Nein, Papier ist nicht schlecht, es sei denn, man verwendet welches, das durch Reaktionen mit Luft und Feuchtigkeit Säuren entwickelt. Also erneut die Frage: Was hat bisher am besten die Zeiten überdauert?«
»Keilschrift, in Stein gehauen!«
»Genau! Wobei wir gleich beim Thema sind, nämlich der Verwitterungsanfälligkeit von Werksteinen. Aber zuvor noch eine Frage an Sie. Wer von Ihnen hat den Wunsch, persönliche Daten aufzeichnen zu lassen, die auch nach vielen Millionen Jahren noch gelesen werden können, vorausgesetzt, die dann lebende intelligente Spezies kann aus den mitgelieferten Übersetzungsschlüsseln den Text entziffern?«
In der Studentenmasse regte sich nichts.
»Ich kann Ihnen auch gleichzeitig anbieten, dass die Daten an einer Stelle untergebracht werden, die in dem gewünschten Zeitabschnitt an der Erdoberfläche zugänglich ist.«
»Wenn das ginge, warum nicht«, murmelte es aus der Gruppe, und mehr als die Hälfte meldete sich.
»Ist doch eine spannende Überlegung. Würden Sie dafür auch mehrere tausend Euro bezahlen?«
Sofort gingen die Hände wieder nach unten.
»So viel müssten Sie aber schon anlegen. Aber das führt jetzt zu weit. Wir können ja irgendwann in einem kleineren Kreis noch einmal darüber sprechen.«
Allenstein lächelte seine Studenten an.
»So, jetzt aber zum Thema. Schauen wir uns heutige Beispiele an,
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