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Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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hatte, über die getrocknete Leiche des ungeborenen Lamababys und stampfte mit seinem linken Fuß dreizehnmal darauf. Dann war jeder der zwölf Kameraden an der Reihe, dieses Ritual für das feste Fundament ihrer Bruderschaft zu wiederholen. Dabei murmelte Pedro immer wieder von vorn die Formel, die er sich aus alten Büchern der Jesuiten aus lateinischen, hebräischen und deutschen Texten zusammengereimt hatte und die nur er verstand.
    Zu guter Letzt zog Pedro aus der rechten Brusttasche seines olivgrünen Militärhemdes eine aus Kuba importierte Cohiba-Zigarre. Ein halbes Vermögen hatte er in dem Tabakladen in Sucre dafür ausgegeben. Nur hier, in der Hauptstadt, wo der Oberste Gerichtshof saß und die wirklichen Honoratioren des Landes ihre Geschäfte betrieben, gab es so etwas überhaupt. In La Paz, wo der Präsident und seine sozialistische Regierung saßen und wo die schlecht bezahlten Ministerialbeamten die Hand für Schmiergeld offen hielten, rauchte man die billige Ware aus der volkseigenen Produktion.
    Er entzündete die Cohiba mit einem Streichholz und nahm einen tiefen Lungenzug. Anschließend musste er sich sehr beherrschen, nicht laut loszuhusten.
    Er gab die Zigarre weiter an seinen kleinen Bruder José, der es ihm gleichtat, bevor er sie seinerseits dem nächsten Kameraden in der Runde reichte. Nachdem sie alle den Rauch einer Tabakpflanze, gewachsen in der Erde des Landes, in dem Ernesto »Che« Guevara seinen größten Erfolg gefeiert hatte, in ihre Lunge gesogen hatten, warf Pedro den Rest der Cohiba auf das Grab des Lamafötus und trat sie aus. Damit drückte er ein Stück Che in den Boden des Landes Bolivien , in dem sein größter Held gestorben war.
    Der Pakt zwischen Pedro und den Seinen war mit dieser Zeremonie endgültig besiegelt. Jedes Mitglied von Mi Pueblo würde bis zum letzten Atemzug für die Freiheit und die Zukunft des Volkes der Aymara und des Landes Bolivien kämpfen.

Kapitel vierundfünfzig
    Bundeskanzleramt, 21  Uhr
    M eine Damen und Herren, ich habe jetzt mit den wichtigsten Staatsoberhäuptern telefoniert. Hat ein bisschen länger gedauert, das Ganze. Ich kann Ihnen eines sagen: Keiner hatte diese Geschichte auf dem Radar.«
    Der Staatssekretär des Innern richtete sich auf und blickte erleichtert in die Runde. Wenn die Präsidenten von Amerika und Russland nichts von dem Überfall gewusst hatten, wie hätten er und sein Minister dann etwas ahnen sollen.
    »Zumindest behaupten sie, nichts gewusst zu haben«, relativierte die Kanzlerin ihre eigene Aussage. Der Staatsminister des Innern sank wieder ein Stückchen in sich zusammen.
    »V-Fall?« Der Oppositionsvorsitzende konnte es nicht erwarten, dass die Kanzlerin den Bundestag zu einer Sondersitzung einberief. Nur mit Zweidrittelmehrheit konnte man laut Grundgesetz den Verteidigungsfall ausrufen. Wenn in der Begründung der Regierung auch nur eine Ungereimtheit zu finden war, konnte die Opposition den Antrag abschießen. Das wäre eine Katastrophe für die Regierung und vor allem für die Kanzlerin. In Deutschland und auf der ganzen Welt wäre dann klar, dass sie es nicht konnte. Sie würde in diesem Fall wohl die Konsequenzen ziehen müssen.
    »Nein, kein Verteidigungsfall und also auch kein Bündnisfall«, antwortete sie jedoch auf seine Frage. »Wir müssen das allein hinkriegen, auch ohne die NATO . Noch ist das kein World-Trade-Center-Fall. Die Befugnisse sowie die Fähigkeiten unserer Polizei und des Grenzschutzes reichen derzeit aus. Die Bundeswehr unterstützt. Wir werden allerdings den Schulterschluss mit unseren österreichischen Nachbarn suchen und auch anstehende Polizeiaktionen gemeinsam durchführen. Dazu wird im Moment ein virtuelles Lagezentrum für uns und Wien hergestellt.« Die Kanzlerin hatte wohl in der letzten Stunde mehr erledigt als nur drei kurze Telefonate.
    Dem Oppositionsführer war dadurch nicht die Laune zu vermiesen. Man musste ganz genau beobachten, was die Bundeswehr machte und ob die vom Grundgesetz vorgesehenen Grenzen ihres Einsatzes im Innern nicht überschritten wurden. Die Chancen standen gut, der Regierung im Nachklapp einen Strick aus der ganzen Geschichte drehen zu können. Entweder weil die Bundeswehr nicht verfassungskonform vorgegangen war und ihre Kompetenzen überschritten hatte oder weil der Spannungs- oder der Verteidigungsfall nicht rechtzeitig ausgerufen worden war. Da der Verteidigungsminister außer Gefecht gesetzt war – oder sich selbst außer Gefecht gesetzt hatte,

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