Kreuzzug
nie auch nur der Hauch eines Zweifels aufgekommen, dass die jungen Bolivianer zu glühenden Verehrern der Lehren des Mohammed konvertiert und bereit waren, ihr Leben dafür zu geben, diese auf der ganzen Welt zur führenden und alleinigen Religion zu machen.
Und nun das.
Wäre Chuck Bouvier nicht der Vollprofi, der er in dreißig Jahren Zugehörigkeit zum Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten geworden war, hätte er nicht gewusst, wo er in dieser Lage hätte anfangen sollen. Es gab so viele Fragen – und so viele Kanäle, die er jetzt nutzen konnte. Aber was hatten diese Kanäle in dieser Sache bisher gebracht? Zu einer kompletten Fehleinschätzung der von ihm ausgewählten doppelverdeckten Agenten hatte der Informationsüberfluss geführt. Er würde sich auf all die Elektronik zukünftig nicht mehr verlassen. Er würde von nun an analog vorgehen.
Dummerweise kostete analoges Vorgehen Zeit. Zeit, Menschen von einem Ort an den anderen zu bringen, wo sie sich an die Lage heranarbeiten mussten. Diese Zeit hatte Chuck Bouvier eigentlich nicht. Dennoch schickte er zwei Agenten der bolivianischen CIA -Niederlassung in der Botschaft in La Paz sofort an den Salar de Uyuni . Sie sollten dort jeden Stein umdrehen und jeden befragen, vor allem Leute, die sie in den letzten fünf Jahren noch nicht über Pedro und seine Kumpanen ausgehorcht hatten. Irgendjemand musste mehr über sie wissen. Wer Pedro eigentlich war, was er vorhatte, warum er und zwölf seiner Freunde zu Islamisten geworden waren. Und ob sie es tatsächlich geworden waren.
Bouvier hatte innerhalb einer halben Stunde drei der bolivianischen Kollegen mit den entsprechenden Vollmachten ausgestattet und per Hubschrauber in Richtung Salar de Uyuni in Marsch setzen können. Sie sollten Ergebnisse bringen, und das schnell. Dieses Mandat und die Position des Unterzeichners öffneten den Korridor der Vernehmungsmethoden ziemlich weit.
In Garmisch-Partenkirchen brauchte John McFarland dringend Verstärkung. Diese ins bayerische Oberland zu bekommen ging wesentlich schneller als ins bolivianische Hochland. Sie war eigentlich immer dort. Das Personal des »Edelweiss Lodge and Resort« der Armed Forces Recreation Center ( AFRC ) in Garmisch, bestand zu einem Drittel aus ehemaligen oder aktiven Mitarbeitern aller möglichen amerikanischen Dienste. In Oberammergau gab es darüber hinaus die NATO -Schule, in Garmisch-Partenkirchen zudem das ehemalige Russian Institute, das mittlerweile weniger eindeutig als George Marshall Center firmierte, aber immer noch eine der schönstgelegenen Spionageschulen war, die die Amerikaner auf der Welt betrieben.
Drei seiner Mitarbeiter in Langley hatten in kurzer Zeit eine Liste von zehn Leuten erstellt, die sich in fünfzig Kilometern Umkreis um die Zugspitze aufhielten und sofort zu einem Einsatz unter Gefechtsbedingungen in der Lage waren.
Ein Name auf dieser Liste sprang ihm sofort ins Auge: der des Ehepaares Hargraves.
Er verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen.
Kapitel siebenundfünfzig
Eibsee-Hotel , 23 Uhr 07
D er Pilot der Cougar setzte Kapitän zur See Kerstin Dembrowski, nur vier Minuten nachdem sie am Spreeufer gestartet waren, auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel ab, wo bereits eine Challenger 601 der Zweiten Lufttransportstaffel mit laufenden Turbinen auf sie wartete. Keine vierzig Minuten später erreichte die kleine zweistrahlige Maschine den Fliegerhorst Fürstenfeldbruck bei München. Dort nahm sie eine weitere Cougar der Flugbereitschaft auf – es war der Helikopter, der am frühen Nachmittag den Verteidigungsminister an den Eibsee geflogen hatte – und brachte sie an den Fuß der Zugspitze .
Dort meldete sie sich beim Krisenstab im Raum »Forelle« und wies sich den Männern durch das offizielle Schreiben der Kanzlerin als für Verhandlungen mit den Geiselnehmern berechtigt aus.
»Das Problem ist nur«, erklärte ihr Katastrophenschützer Hans Rothier, »es gibt immer noch nichts zu verhandeln. Sie haben keine Forderung gestellt. Nach knapp zwölf Stunden. Das ist doch zumindest ungewöhnlich, oder?«
Kerstin Dembrowski hatte den ganzen Abend über auf ihrem Laptop die Meldungen, die Rothier nach und nach in seine Katastrophen-Koordinationssoftware eingegeben hatte, verfolgt.
»Das ist nicht das Problem«, meinte Dembrowski. »Die haben das Zeitproblem, nicht wir. Die wollen etwas von uns. Unser Problem ist, dass wir nicht wissen, was sie noch alles in die Luft sprengen
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