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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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Kate, an ein
Feuer, das zu schwach war, um den ganzen Raum zu erhellen. Heinrich musste den
Kopf einziehen. Es roch nach Rauch, Tieren und Heu. An einem Nagel hing ein
gewickelter Säugling vom Balken und schlief. Der Rest der Familie war auf dem
Feld.
    »Wir kochen dir eine Suppe von Lauch, Natternhemd und
Schlangenfleisch«, sagte sie und erklärte, dass allein der Verzehr einer
Schlange und ihres Leders bewirken könne, dass die schlechte, sieche Haut sich
von der guten trenne und abfalle; dass man sich gleichsam häute und erneuere,
wie die Schlangen es manchmal täten.
    »Und was bewirkt der Lauch?«
    »Der bewirkt, dass die Suppe halbwegs erträglich schmeckt. Wenn du
noch Salz in die Suppe willst, zahlst du einen Schilling mehr.«
    Aus einem Krug, den ein Korbdeckel verschlossen hatte, entnahm sie
eine Ringelnatter, die auch dann noch heftig zappelte, als ihr längst der Kopf
abgeschlagen worden war. Dann schnitt sie den Körper in fingerdicke Scheiben
und gab ihn, ohne vorher die Knochen oder das Gekröse zu entfernen, in einen
Topf mit Wasser. Sie wies Heinrich auf die Krone der Schlange hin; im Nacken
gelbe Flecken von der Größe und Form eines Fingernagels, ein zu- und ein abnehmender
Mond als Zeichen der ewigen Wiedergeburt. Nach dem Lauch, den sie auf gleiche
Weise zerkleinerte, zerrieb sie ein Stück von einer abgelegten Schlangenhaut
zwischen den Händen und gab das Pulver hinzu. Diese Zutat schien Heinrich nur
Blendwerk, ebenso wie der dänisch klingende Singsang mit den nordischen
Götternamen, den die Frau beim Rühren der Suppe von sich gab. Ofterdingen
stellte ihr frei, auf den heidnischen Gesang zu verzichten, wenn er nicht
zwingend für das Gelingen des Elixiers nottat, und tatsächlich ging sie auf das
Angebot ein.
    In der Stille, die darauf entstanden war, sagte sie: »Du schreibst
die Legende vom Drachenschatz und den Burgundern nieder.«
    »Von Zeit zu Zeit«, entgegnete er und fragte sich, wie in Christi
Namen sie davon wissen konnte. »Es dauert etwas länger, als ich angenommen
hatte, und ich bin allein.«
    »Zu wenig Einfälle?«
    »Zu viele. Jeder Deutsche kennt einen Teil der Sage, aber keine zwei
Deutschen erzählen ihn gleich. Es ist« – Heinrich suchte nach Worten und wies
auf den Topf, in dem sie rührte –, »es ist, als würden mir unendlich viele
Zutaten und Gewürze aufgeladen, aus denen ich dennoch eine schmackhafte Suppe kochen soll.«
    »Die Hauptsache ist, dass du den Schlangenturm nicht vergisst. König
Gunther, der gebunden samt seiner Harfe in eine Zelle voller giftiger Schlangen
geworfen wird und mit seinen Zehen die Saiten schlägt, um das Gewürm
einzuschläfern. Bis er nicht mehr kann und die Schlangen über ihn herfallen.«
    »Siehst du: Ich habe zum Beispiel gehört, dass es eine Grube war, kein Turm und dass Gunther umgehend getötet wird
von den Schlangen. Sie fressen ihm die Leber heraus.«
    »Unsinn. Es war ein Turm, und Gunthers Leber spielt keine Rolle, und
wenn du etwas anderes schreibst, Österreicher, dann hol dich der Teufel.«
    Die Suppe war weniger übel als erwartet. Salz fehlte freilich, und
die Wirbel der Schlange waren zu klein, um sie vom Fleisch zu lösen, aber zu
groß, um sie zu schlucken. Die hässliche Bauersfrau verlangte zwei Schillinge
für ihren Dienst, wies aber darauf hin, dass ihr Trank nur wirke, wenn Heinrich
künftig ein Leben fromm wie Hiob führe, das die Gnade Gottes auch verdiene.
    Bei diesen Worten ließ Heinrich alle Hoffnung fahren. Nicht, dass er
nicht versucht hätte, Weibern, Würfeln und Verwünschungen zu entsagen und ein
Leben fromm wie Hiob zu führen, um seinen Körper zu retten – aber sobald ein
Heiler die Verantwortung in die Hände der Himmlischen gab, um sich selbst
schuldlos zu halten, stand man zumeist mit einem Bein im Grab. Für einige
Stunden war Heinrich von Ofterdingen, sonst alles andere als leichtgläubig,
einer Scharlatanin aufgesessen.
    Es kam einem Mirakel gleich, dass zwei Tage darauf, am
Sankt-Lamberts-Tag, seine Knie verheilt waren. Heinrich prüfte seinen ganzen
Körper, kniff und kratzte ihn. Die Haut blieb makellos. Eine solche Hochstimmung
hatte er nie zuvor erlebt, nicht einmal nach gewonnener Schlacht. Er umarmte
Konrad, riss das Fenster auf und warf die Schwefelasche in die Gasse, wo sie
sich einer Wolke gleich langsam auf die Köpfe der Bürger senkte.
    Als sich am gleichen Tag Hermann von Thüringen in der Klosterkirche
vor König Philipp zu Boden warf, um dessen Gnade zu erbitten,

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