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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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Hermanns Ländereien verwüstet waren und Erfurt,
Schmalkalden, Nordhausen und Saalfeld in Trümmern lagen und nachdem alle
minderen Fürsten und Verbündeten von ihm abgefallen waren, blieb ihm keine
andere Wahl, als sich der Gnade des Stauferkönigs zu unterwerfen und ihm
abermals die Treue zu schwören.
    Heinrich von Ofterdingen war Philipps Heer bis nach Ichtershausen
gefolgt. Leopold von Österreich, Ofterdingens Dienstherr und ein Parteigänger
Philipps, hatte seinen Sänger gewissermaßen an den König ausgeliehen, und es
lebte sich gut im Gefolge des Staufers. Walther von der Vogelweide war auch mit
dabei, ging Heinrich aber ostentativ aus dem Weg und spielte, anders als
dieser, nur für den engen Kreis um den König.
    Heinrich spielte gemeinhin für alle, aber unter dem Eindruck seiner
schorfigen Knie war ihm die Lust daran vergangen. Er hatte genug Schilderungen
von Rupert gehört, um zu begreifen, dass es der Aussatz war, der seine Knie
befallen hatte. Die fettigen Speisen, sein galliger Humor, seine ungenügende
Gottesfurcht, nicht zuletzt die unzähligen Frauen – Heinrichs Lebenswandel
hatte die Krankheit geradezu heraufbeschworen. Er musste umgehend etwas unternehmen,
bevor der Aussatz von seinem ganzen Körper Besitz ergriff. Er mischte Schwefel
mit Asche und rieb die Beine dick damit ein. Er hielt die Knie über brennenden
Weihrauch. Er betete zum heiligen Lazarus, zur Jungfrau Maria und sogar zur
Frau Minne, der Schutzpatronin der Sänger. Er leerte seine gesamte Geldkatze
und die seines Singerknaben in den Opferstock der Ichtershausener Klosterkirche
und warf sich bußfertig auf den kalten Steinboden, alle viere von sich
gestreckt. Aber es half nichts. Die Flecken wurden größer.
    Er malte sich das Leben aus, das ihm vorbestimmt war. Mit seinen
grindigen Gliedern würde er bald nicht mehr tanzen und kämpfen können. Sein
schönes Gesicht würde von Geschwüren und Kruste bedeckt. Er würde seinen
eigenen Körper nicht mehr spüren und dann verfaulen und in Brocken und Krümel auseinanderbrechen
wie ein Weckmännchen in der Hand eines Kindes. Stückweise würde er seinen Leib
auf den Dung werfen können. Das alles war schrecklich genug, aber der Gedanke,
von der Gesellschaft ausgeschlossen und in ein Siechenhaus abgeschoben zu
werden, zu erleben, wie die Menschen sich in sicherem Abstand abwenden, sobald
sie einen wahrnehmen – eine wandelnde Leiche in Lumpen gehüllt, anstatt der
Fiedel jetzt eine Klapper in der Hand, »Unrein! Unrein!«, vor sich selber
warnend –, der Gedanke also, sich nicht mehr mit Männern und Frauen, Kindern
und Greisen umgeben zu können, dieser Gedanke erzeugte in Heinrich eine Furcht,
wie andere sie vor der Hölle haben mochten. Seinen beiden Gefährten gegenüber
erwähnte er die Krankheit mit keinem Wort, und er achtete peinlich darauf, dass
niemand ihn mehr mit heruntergelassenen Hosen sah.
    Die Gesellschaft anderer suchte er ausdrücklich, als wolle er sich
an ihr noch einmal sättigen für die kommenden Jahre. Abends in der Schenke
verlangten die staufischen Knappen und Waffenknechte nach seinen Liedern und
baten insbesondere um ein Spottlied auf den besiegten Landgrafen der Thüringer,
dem der eigene Wendehals endlich das Genick gebrochen hatte – aber Heinrich
überließ die Musik Konrad, seinem Singerknaben, und zog sich mit seinem Bier in
einen Winkel zurück.
    Hier war es auch, dass er Ohrenzeuge eines Gespräches unter
Einheimischen wurde. Es ging um die wundersame Heilung eines Aussätzigen.
Sofort schloss sich Heinrich dem Kreis an. Sein Singerknabe, erklärte er und
wies auf den Mann mit der Fiedel, leide an einer seltsamen Veränderung der
Haut, die unter Umständen die Krankheit in ihrem frühesten Stadium sein könne.
Wenn es irgendeine Rettung für den Unglückseligen gebe, wolle Heinrich nichts
unversucht lassen. Die Ichtershausener wiesen ihm den Weg zu einem Gehöft auf
halber Strecke nach Arnstadt und betrachteten Konrad den Rest des Abends mit Abscheu
im Blick.
    Das Weib war von atemberaubender Hässlichkeit. Klein und breit,
das fettige Gesicht von Narben und Pusteln bedeckt wie ein Spießbraten über den
Flammen, die borstenartigen Haare über den riesigen Ohren in Zöpfe gezwungen.
Zwei Zähne ragten wie die eines Ebers über ihre Lippe. Sie stank.
    »Gaff mich nur an«, sagte sie und lachte. »Du wirst noch viel übler
aussehen, hübscher Ritter, wenn Gott dich nicht erhört.«
    Dann nahm sie seine Hand und führte ihn in die niedrige

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