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'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

Titel: 'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Jochimsen
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ausrechnen.
    Also nahmen wir im Kleinen vorweg, was im Großen geschah: Veräußerung des Tafelsilbers auf dem Flohmarkt und dann der »Schuldenschnitt«, also Erlass aller Verbindlichkeiten, um einen wirtschaftlichen Neuanfang möglich zu machen. Und weil jeder Beginn eine Anschubfinanzierung braucht, beschlossen Tom und ich, (mal wieder) das »heilige Leder« zu schlachten. Das »heilige Leder« ist ein fußballförmiges Sparschwein, in das wir seit je unser Kleingeld schmeißen, und das trugen wir auf die Bank.
    In Gedanken hörten wir schon die Münzen durch das Zählgerät rattern, wir spürten bereits die Spannung, wie viel es diesmal wohl sein würde, und freuten uns im Vorfeld über die fünf oder zehn Euro, die es für gewöhnlich sind ...
    Dementsprechend groß war unsere Wut und Enttäuschung, als uns der Bankmensch eröffnete, dass es das Münzzählgerät nicht mehr gebe. Man müsse das Geld stattdessen einschicken, es werde dann auf dem Konto gutgeschrieben und, so fügte er hinzu:
    »Dafür erheben wir eine Gebühr von fünf bis zehn Euro.«
    »Dann ist das ganze Geld ja weg«, schrie Tom, »Verbrecher!«
    Der Mann hinter dem Schalter zuckte nur mit den Achseln und mir wurde es zu blöd.
    »Wissen Sie was, ich schmeiße die Münzen jetzt hier auf den Boden, machen Sie damit, was Sie wollen.«
    »Das würde ich bleiben lassen«, sagte der Banker, »so etwas müssen wir strafrechtlich verfolgen.«
    »Aha«, wütete ich, »und weswegen genau?«
    »Sachbeschädigung«, sagte er trocken.
    Das ist schon eine ganz eigene Komik: In einer Bank Geld auf den Boden werfen ist Sachbeschädigung ...
    Wir überwanden unsere Bankenkrise letztendlich ohne Bank und vielleicht ist das nicht der schlechteste Weg. Und dreimal dürfen Sie raten, wohin Tom in Urlaub möchte.

Wenn Eltern sprechen
    Elternsprechabend.
    »Soll ich nicht lieber hier bei dir bleiben?«, versuche ich es.
    »Nein, nein«, sagt mein Sohn Tom, »geh ruhig, ich kriege das zu Hause prima alleine hin.«
    »So wichtig ist das nun auch nicht, dass ich da hingehe«, sage ich.
    »Doch, ist es«, sagt er.
    »Ach was«, sage ich, »da wird eh nur belangloses Zeug ...«
    »Du musst!«, schließt er das Thema ab, »Elternabend ist Pflicht!«
    Es ist noch nicht so lange her, da ging die Welt im Kindergeheule unter, wenn ich abends mal wegwollte, jetzt kann es gar nicht oft genug sein – und so gut kann ich Süßigkeiten und Fernbedienung gar nicht verstecken, dass Tom sie nicht findet.
    »Ab ins Bett jetzt«, sage ich, als ich gehe.
    »Viel Spaß«, ruft er mir grinsend nach.
    So habe ich mir das nicht vorgestellt: Mein Sohn macht sich einen gemütlichen Fernsehabend und ich muss in die Schule.
    Wenn Eltern sprechen ... Ich sitze auf einem winzigen Stuhl in einem muffigen Klassenzimmer und will nichts davon hören, dass die Kuchen für den Schülerbazar bitte glutenfrei sein sollen und »keine Schokoriegel in die Vesperbox« und dass noch »Begleiteltern« für den Wandertag fehlen – was bitte sind »Begleiteltern«? – und natürlich:
    »Wer besorgt die Girlanden fürs Schulfest?«
    »Das Thema ADS sollten wir noch mal vertiefen.«
    »Ich möchte bitte die letzte Mathearbeit auf die Tagesordnung setzen und glaube, da spreche ich im Namen aller.«
    In meinem nicht! Ich verstopfe meine Ohren vor dem elitären Elterngetöse, dass die noch nicht zutage getretene Hochbegabung des Sprosses einzig und allein am zu laschen Unterricht liege.
    »Man muss Kinder nicht nur fördern, sondern auch fordern«, sagt eine teuer kostümierte Mutter und droht beifallheischend, dass es schließlich auch noch andere Schulen in dieser Stadt gebe.
    »Wobei, das eine sage ich Ihnen«, raunt mir ein feister Anwalts-Papa zu, sollte sein Sohn im nächsten Bio-Test wieder nur eine Drei bekommen, erwäge er rechtliche Schritte. Weil ich nicht antworte, tauscht ermit jemand anderem Erfahrungen darüber aus, welcher Cello- und Klavierlehrer der beste sei.
    »Entschuldigung«, kumpelt mich eine fragwürdig zurechtgeschminkte Mutter in bester Spätgebärendenprosa an, »und was spielt Ihr Sohn?«
    »Computer und Fußball«, zische ich zurück.
    Elternsprechabend.
    »Mobbing – so weit würde ich nicht gehen«, sagt ein anderer Vater, der schon den ganzen Abend durch fingerschnipsendes Dauermelden unangenehm aufgefallen ist, aber er finde es schon beängstigend, wie einige Kinder hier ausgegrenzt würden, auch sein Jonathan-Elias tue sich trotz guter Schulnoten und reger Mitarbeit schwer,

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