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'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

Titel: 'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Jochimsen
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Freunde zu finden.
    Weil er genauso ein dämlicher Streber ist wie sein Vater, denke ich, und das ist das Schreckliche am Elternsprechabend: Hier sprechen die Abziehbilder der Kinder, die exakten Blaupausen der Schleimer, Wortführer, Lehrertaschenträger und Angeber. Die Äpfel fallen nicht weit von den Stämmen ... Und was ist mit den Turnbeutelvergessern, Schweigern und künftigen In-der-Raucherecke-Stehern?
    Ein paar Eltern hätten bislang noch gar nichts gesagt oder beigetragen, unkt das teure Kostüm in diesem Moment, und ob ihnen das Wohl ihrer Kinder nicht auch am Herzen liege? Viele Augenpaare richten sich auf jene Versprengten, die bislang teilnahmslos in den hinteren Bänken saßen und wie ich hofften,dass das hier vorübergehen möge. Schnell erkenne ich in ihnen die Eltern von Toms Freunden Paul, Felix und Luka. So langsam entspanne ich mich.
    »Dass passt schon«, sagt Pauls Vater, um das peinliche Schweigen zu durchbrechen, mit manchen aus der Klasse komme sein Sohn gut aus, mit anderen nicht so, aber das sei o.k. für ihn.
    »Alles in allem fühlt er sich wohl in der Schule und ich vertraue ihm.«
    Ich nicke. Dann ertönt der Gong.
    Das Kostüm und der Anwalt stürzen auf die Lehrerin zu, weil sie noch »etwas loswerden wollen«, der Vater von Jonathan-Elias wischt die Tafel. Ich gehe mit Pauls Papa ein Bier trinken.
    Zu Hause liegt Tom friedlich und zufrieden in seinem Bett. Ich vertraue ihm.

Bio, Geo, Thüringen
    »Das ist so ein Scheiß!«, brüllte mein Sohn Tom, als er sich kurz vor den Sommerferien auf die letzte anstehende Biologiearbeit vorbereiten sollte, »wozu soll ich das lernen? Das braucht kein Mensch!«
    Mit »das« meinte Tom das Lernthema »Amphibien« und, ehrlich gesagt, war (und bin) ich seiner Meinung: »Der exakte Bauplan«, »die Organe« sowie »die verschiedenen Fortpflanzungsarten« von Lurch, Molch, Salamander, Frosch und Kröte gehören – wie ich finde – nicht zwingend zum Kanon des Wissens, welches man ständig abrufbereit mit sich herumschleppen muss. So nutzte Tom denn seine frisch erworbenen Kenntnisse in Mathe, addierte und dividierte sich aus, dass eine schlechte Bionote seine Versetzung nicht gefährden würde, und ließ mit väterlichem Segen Frosch und Kröte ungelernt.
    (Unkommentiert ließ ich seinen Satz: »Wenn wir im Unterricht wenigstens so ein Viech zum Aufschneidenhätten, aber das dürfen wir ja nicht«, weil ich das zu meiner Schulzeit sehr wohl durfte und in schrecklicher Erinnerung habe.)
    Während die Rechnung in Bio aufging, verhielt es sich im zweiten »Lernfach«, Geo, anders: Hier musste aufgrund von Versäumnissen im laufenden Schuljahr eine befriedigende Zensur im letzten Test her, weswegen Tom und ich kurz vor dem Urlaub fleißig deutsche Flüsse, Gebirge, Bundesländer und deren Hauptstädte paukten. Dem Internet sei Dank machte das ziemlichen Spaß, ich weiß endlich, wo der Spessart liegt, und mein Sohn erreichte das Klassenziel.
    (Für Eltern mit ähnlichen Problemen hier ein kleiner Service: Toll ist die Seite »sanderbar.de«, und hilfreich ist es nebenbei, in die Suchmaschine der Wahl nicht »Gibt es denn in diesem verdammten Internet nicht irgendwo eine Deutschlandkarte, in der Städte, Flüsse und Berge eingezeichnet, aber nicht beschriftet sind« einzugeben, sondern einfach »stumme Karte«. Wieder was gelernt!)
    Weil man aber durch eigene Anschauung bekanntlich am meisten mitkriegt und Reisen überdies bildet, wir ohnehin nicht so weit wegwollten und außerdem wussten, wie die Hauptstadt heißt, fuhren wir im Urlaub ins »grüne Herz Deutschlands«, nach Thüringen.
    Die Wartburg also, und um es kurz zu machen: Mit Abstand am besten gefielen Tom dort die Kanonen. Der unsichtbare Tintenfleck in der Lutherstube interessierteihn aber auch: »Vielleicht hat der Luther Zaubertinte benutzt«, flüsterte er, »obwohl, die gab’s damals ja noch gar nicht.« So was weiß mein Sohn, schließlich ist er ein erfolgreiches Schulkind, was er während der Burgführung umgehend unter Beweis stellte: »Hat der Luther mit Geha oder Pelikan geschrieben?«
    Das sei wohl eine »typische Westfrage«, meinte darauf unser Fremdenführer, dessen tiefster Thüringer Dialekt nicht so recht zu seinem ans Revers
     gesteckten Schild mit der Aufschrift »Guide« passen wollte. (Tomwiederum konnte mit »Ost-« und »Westdeutschland« nichts anfangen, weil
     Geschichte in der Schule erst später kommt.)

    Für den Rest der Ferien verfügten wir uns an einen

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