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'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

Titel: 'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Jochimsen
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langsam zur Neige gehen und ich bald wieder nach F. muss, um Nachschub zu besorgen. Doch wenn ich ehrlich bin: Ich kann’s kaum erwarten.

Weihnachten damals und heute
    Sagen wir doch, wie es ist: Weihnachten, das waren mal leuchtende Kinderaugen, Spekulatiusduft und Vorabendserien mit Patrick Bach. Heute herrscht Hektik, Agonie und die Uschiglasierung der Gesellschaft.
    Und das Schlimmste:
    Mein Sohn Tom ruiniert mir die festliche Stimmung. Nicht absichtlich natürlich, einfach nur dadurch, indem er älter wird. Früher hat mich seine kindliche Vorfreude regelmäßig aus der Herbstschwermut gerissen, und heute?
    Es ist Ende November, die Vorweihnachtszeit hat noch gar nicht richtig begonnen und Tom hat mir, wie ein erwachsener Vollprofi, bereits seinen Wunschzettel zukommen lassen – per E-Mail. Fehlerlos getippt, mit Preisangaben und den Links zu den Internetshops, bei denen ich seine Sachen bestellen soll (alles so Computerzeugs, von der Hälfte weiß ich noch nicht mal, was es eigentlich ist).
    »Arbeitserleichterung für das Christkind« nennt man das wohl, und: »So ist eben der Lauf der Dinge.«
    Dem füge ich mich, aber ich bin auch ein gnadenloser Melancholiker, und so denke ich gerne an jene Zeit vor vier Jahren zurück, in der Tom nicht so genau wusste, von wem er die Geschenke eigentlich bekommt.
    Analytisches, christliches und heidnisches Denken führten einen erbitterten Dreikampf in seinem kleinen Kopf, und das war einfach wunderbar:
    »Bringt der Weihnachtsmann allen Kindern die Geschenke?«, wollte er zum Beispiel wissen.
    »Ja, Tom, allen Kindern, zumindest denen, die brav waren.«
    »Das schafft der gar nicht. Das sind zu viele.«
    »Doch ... das schafft er.«
    »Weißt du, was ich glaube? Der Weihnachtsmann bist in Wirklichkeit du!«
    »Ich? Nein, ich würde das wirklich nicht schaffen. Ich muss doch den Baum aufstellen und kochen und mit dir in die Kirche, da hab ich keine Zeit.«
    »Letztes Jahr warst du aber nicht mit in der Kirche.«
    »Aber dieses Jahr gehe ich.«
    »Musst du auch. Weil an Weihnachten ist der Jesus geboren worden.«
    »Das stimmt.«
    »Wann genau?«
    »Äh ... abends.«
    »Nein, wann das war? In welchem Jahr?«
    »Oh ... Also im Jahre null. Und dieses Jahr ist Zweitausendund...«
    »So oft hatte der schon Weihnachten?«
    »Wenn du so willst.«
    »Dann hat der aber schon viele Geschenke bekommen!«
    Was habe ich diese Dialoge geliebt.
    »Wie oft hatte ich denn schon Weihnachten?«
    »Diesmal ist es das sechste Mal.«
    »Aber ich bin doch erst fünf.«
    »Eben.«
    »Versteh ich nicht.«
    Es war herrlich, die 24 Türchen des Adventskalenders schaffte Tom spielend, aber bis sechs zu zählen überforderte ihn. Allein die Geschenkfrage ließ ihm keine Ruhe:
    »Vielleicht bringt der Jesus ja die Geschenke?«
    »Das glaube ich nicht, Tom, der ist doch das Geburtstagskind.«
    »Ja, früher. Aber jetzt ist er alt, da gibt er Geschenke ab.«
    »Aha. Und von wem hat er die Geschenke?«
    »Vom Weihnachtsmann!«
    Es war einfach zu schön. Und jetzt, wo ich mich daran erinnere, wärmt es mir das Herz. Wäre doch gelacht, wenn sich die feierliche Stimmung nicht doch noch einstellen würde.

Schlachtgesang des Rabenvaters
    Ja, ich habe es kapiert. Wenn ich nicht bald mein Larifari-Leben ändere und meinen Sohn besser auf die Leistungsgesellschaft vorbereite, wird er es zu nichts bringen. Er wird keinen Job bekommen und zusammen mit seinen adipösen Freunden in dunklen Prekariatskellern ein freudloses Alkoholikerdasein fristen, abhängig von Hartz IV und dem bisschen Geld, das seine Frau auf dem Strich verdient. Und alles nur, weil ich ihm das Computerspielen nicht rigoros genug untersagt, ihn nicht auf eine Eliteschule geschickt und ihm von Zeit zu Zeit ein Nutellabrot gegönnt habe. Ich hätte es wissen müssen, schließlich stand es doch geschrieben!
    Und ja, auch das habe ich verstanden: Wenn ich nicht bald mein Larifari-Leben ändere und meinen Sohn besser vor der Leistungsgesellschaft schütze, wird das ebenfalls nichts mit dem Erfolg. Er wird keinen Job bekommen und zusammen mit all den anderen sozialinkompetenten »Fachwissen-Idioten« und teamunfähigen »Ellbogen-Ego-Shootern«, für die die hochkomplexe, vernetzte Globalisierung keine Verwendung hat, für immer auf Kleiderspenden und Suppenküche angewiesen sein. Und alles nur, weil ich ihn nicht zu Kreativität verdonnert, ihn nicht auf eine Alternativschule geschickt und ihn von Zeit zu Zeit für gute Noten gelobt habe. Ich

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