'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'
»Kann man nichts machen.«
»Also von mir hat er das nicht«, war das Einzige, was meine Frau zu sagen imstande war.
Irgendwann wird Tom auf eigenen Füßen stehen, bis dahin werden wir mit dem »Untenrum«-Problem leben müssen. Nase zu und durch!
Ägypten im Kinderzimmer
Wenn mein Sohn Tom genervt ist, verdreht er die Augen. Ist er aber aufgeregt, verdreht er die Wörter. Er sagt zum Beispiel:
»Ich kann jetzt mein Zimmer nicht aufräumen, ich bin schon mit Paul abverredet.« So was.
Einer von Toms schönsten Wortdrehern ist »Pymariden«. Sie verstehen, oder? Die »Pymariden«, diese dreieckigen Häuser, welche die »Gypter« für die »Faronen« gebaut haben.
Herrlich. Nach den Dinosauriern und den Rittern sind bei uns jetzt nämlich die alten Ägypter dran, was zwar historisch Unsinn, für Tom aber logisch ist. Sprachschöpferisch ist es ein Eldorado: Die »Ä-gyp-ter« mit ihren »Pha-ra-o-nen-Dy-nas-ti-en«, »Py-ra-mi-den«, »Hie-rogly-phen« – da ist kaum ein Wort dabei, das unfallfrei den Kindermund verlässt.
Ich liebe es, mit Tom das Ägypten-Buch zu lesen, wenn er mir stolz die Grabkammer von »Tuti Amun«,die »Schpinx« oder die »Koops-Pymaride« zeigt. Aufgeklärte Eltern und Pädagogen mögen mir vergeben, aber ich kann ihn nicht verbessern, es ist zu schön, zu sprachmächtig, zu kreativ – so leid es mir um den jungen König Tutanchamun oder um Cheops, den gewaltigen Herrscher der 4. Dynastie tut, aber die »Pymaride« des »Koops« ist einfach unschlagbar.
Allein, Kinder wollen nicht nur reden, sie wollen spielen – und Spielen macht Unordnung.
»Tom«, sagte ich vor einer guten Woche, »denk dran, dass du noch aufräumen musst.«
»Geht jetzt nicht, ich bin mit Paul abverredet.«
»Aber Paul kommt erst in einer Stunde, da könntest du doch jetzt dein Zimmer aufräumen.«
»Nein, ich muss vorbereiten, wir spielen Beerdigung.«
Das ist der Nachteil, wenn der Sohnemann in der Ägypter-Phase ist. Für Tom besteht diese Zeit nämlich vor allem aus prunkvollen Bestattungsritualen, bei denen der Herrscher alles Wichtige mit ins Grab bekommt, auf dass er es bis in die Ewigkeit schön gemütlich habe. (Der Herrscher ist derzeit übrigens »Ramsi II.«. Wer sonst.)
Um die Geschichte etwas abzukürzen: Paul kam an besagtem Tag vorbei, verschwand mit Tom im Kinderzimmer und ich war wohl etwas abgelenkt. Als es dann verdächtig ruhig wurde und ich deswegen nach dem Rechten sehen wollte, gab es das Kinderzimmer nichtmehr. Die Wände waren über und über mit kunstvollen »Higolyfen« beschmiert, Schreibtisch, Stuhl und Schrank bildeten eine gewagte Dreieckskonstruktion und der Rest befand sich im Stockbett: Kuscheltiere, Spielzeug, Eisenbahn, die halbe Vorratskammer, die Panini-Sammlung, der Schulranzen, der Fußball, einfach alles. Und inmitten dieser Grabbeigaben lag Tom und ließ sich von Paul gerade mit Sonnencreme einbalsamieren. Die »Pymaride« des »Chaos«!
Ich gebe zu, dass Stolz und Wut in mir rangen, dann aber verwandelte ich mich historisch korrekt in Alexander den Großen und zerschlug das ägyptische
Reich, damit alles wieder seine Ordnung hatte.
Die Spielplatz-Eltern
Normalerweise neige ich nicht zu Misanthropie, aber es gibt einen Menschenschlag, dem ich vielleicht nicht mit Hass, aber doch sicher mit ordentlichem Widerwillen gegenüberstehe, von dem ich sogar meine, man sollte sich tunlichst von ihm fernhalten, was leider nicht ganz einfach ist, speziell, wenn man Kinder hat.
Ich spreche von den sogenannten »Spielplatz-Eltern«, jenen Erziehungsberechtigten, die ihre Freizeit (und davon haben sie viel) immer und ausschließlich auf Spielplätzen verbringen.
Es gäbe viele schöne Orte, die man mit Kindern aufsuchen könnte, aber nein, der Spielplatz muss es sein. Spielplätze sind vernünftig, ungefährlich und in Laufentfernung.
Also wird hingegangen. Immer.
»Komm, wir gehen auf den Spielplatz«, säuseln die Spielplatz-Eltern ihren Kindern zu, »da kannst du so schön spielen.«
Eine glatte Lüge: Das tumbe Rumsitzen auf langweiligen, TÜV-geprüften Wippgeräten im Rindenmulch hat mit Spielen nichts zu tun. Und etwas anderes dürfen die Kinder von Spielplatz-Eltern nicht. Sie könnten sich verletzen – oder noch schlimmer: schmutzig werden. Auch »Spaß haben und sich mit anderen Kinder anfreunden« (häufig vorgebrachte Argumente für den Gang auf den Spielplatz) ist für die Kinder ausgeschlossen. Die Kernsätze der Spielplatz-Eltern lauten: »Bist du
Weitere Kostenlose Bücher