Krieg um den Mond (German Edition)
gelohnt.
Wegen der Konferenz war der Parkplatz der ESA überfüllt. Anne ließ ihren Wagen einfach hinter zwei geparkten Autos stehen. Es störte sie nicht, dass die beiden nicht mehr wegfahren konnten. Es gab Wichtigeres. Im Laufschritt eilte Anne zum Aufzug. Dr. Bardouin hatte als Leiter der ESA auch in Darmstadt ein eigenes Büro. Anne war einige Male daran vorbei gelaufen. Vor den Konferenzräumen war alles laut und geschäftig, aber hier im Bürotrakt gingen kaum Menschen über die Flure, deshalb kam sie gut voran. Anne klopfte kurz, wartete aber keine Antwort ab, sondern riss sofort die Tür auf. Dr. Bardouin sah sie erstaunt von seinem Schreibtisch aus an. Solche Art von Auftritten war er nicht gewohnt. Überrascht stellte Anne fest, dass auch Olaf im Zimmer war. Er stand am Fenster und hatte sich bis mit Dr. Bardouin unterhalten. Sie hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen.
„Darf ich fragen, was Sie hier wollen?“
Dr. Bardouin wirkte ungehalten, aber Anne hatte nicht mit einem freundlichen Empfang gerechnet. Das würde sich von selbst regeln.
Anne wollte aus Höflichkeit Französisch sprechen, weil Dr. Bardouin Franzose war, aber in der Aufregung fielen ihr die richtigen Worte nicht mehr ein. Darum legte sie auf Deutsch los, was Dr. Bardouin auch fließend sprach.
„Bitte entschuldigen Sie meinen Auftritt. Ich weiß, dass Sie sehr beschäftigt sind. Aber - was ich Ihnen zeigen möchte, ist so wichtig, dass es nicht warten kann.“
„Das hoffe ich doch sehr“, antwortete Dr. Bardouin gedehnt. „Fassen Sie sich kurz. Meine Zeit ist begrenzt.“
Anne holte tief Luft. Am liebsten würde sie die ganze Geschichte erzählen, aber sie wusste, dass sie sich auf das Wesentliche beschränken musste.
„... Die Amerikaner haben also auf dem Mond eine Schraube entdeckt. Sie sind offensichtlich der Überzeugung, dass der Fund sehr bedeutend ist, weshalb sie ihn mit allen Mitteln vertuschen wollen, aber ich habe den Beweis“, fasste Anne ihre Erklärung zusammen.
Während Annes Erklärung versteinerte sich Dr. Bardouins Gesicht. Mit verschränkten Armen hörte er zu und wartete ungeduldig auf das Ende. „Und so eine Geschichte wollen Sie mir verkaufen? Ich hoffe für Sie, dass Ihr Beweis stichhaltig ist.“
„Ich werde es Ihnen zeigen.“ Anne platzierte ihren Laptop vor Dr. Bardouin auf den Schreibtisch und startete ihn. Olaf hatte sich in eine Ecke des Raums begeben und sah dem ganzen schweigend zu. Er beobachtete, wie Anne irritiert auf ihren Bildschirm sah.
„Wo ist denn der Link?“, hörte er sie murmeln.
Anne wirkte verstört. Mit zunehmender Hektik fuhr ihr Finger auf dem Touchpad hin und her. Für Dr. Bardouin war die Grenze erreicht.
„Nun? Ich warte. Wo ist der Beweis?“
Anne hämmerte auf ihre Tastatur. „Ich ... Ich kann die Datei nicht finden“, stammelte Anne mit tonloser Stimme. „Das Video ist weg.“
„So? Das Video ist weg? Einfach verschwunden?“
Die Worte standen im Raum wie eiskalter Nebel. Dr. Bardouin stand auf und ging neben seinen Schreibtisch. Anne stand vor ihrem Laptop wie kurz vor ihrer Hinrichtung.
„Frau Winkler“, begann Dr. Bardouin, „ich habe von Ihnen als eine intelligente und sehr engagierte Wissenschaftlerin gehört. Aber wie ich jetzt feststellen muss, ist Ihre Phantasie weitaus größer als Ihr Verstand. Und dazu legen Sie ein Benehmen an den Tag, das Sie als rational arbeitende Wissenschaftlerin disqualifiziert. Sie platzen unangemeldet in mein Büro, tischen mir eine haarsträubende Geschichte auf und liefern mir als Beweis einen leeren Bildschirm. Ich möchte mir jegliche weitere Erklärung von Ihnen ersparen. Wegen Ihnen komme ich ohnehin zu spät zu meinem Vortrag. Bitte nehmen Sie Ihren Laptop und verlassen Sie mein Büro!“
Bleich wie eine getünchte Wand klappte Anne ihren Laptop zu und ging zur Tür heraus. Im Flur begann sie zu laufen. Immer schneller lief sie. Nur weg von hier. Weg von diesem Büro. Weg von der ESA. Am liebsten weg von diesem Planeten. Wie in Trance fuhr Anne nach Hause, knallte die Tür hinter sich zu und warf sich auf ihr Bett. Nun begannen die Tränen zu fließen. Anne weinte hemmungslos in ihr Kissen hinein. Nicht nur ihre Träume, ihr ganzes Leben war zerstört. Alles, was sie sich erhofft und wofür sie gearbeitet hatte.
Anne hörte nicht, wie es erst an ihre Tür klopfte und später hämmerte. Für sie existierte um sie herum nichts mehr. Olaf rief Annes Namen. Es drang nicht zu ihr durch.
Von
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