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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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das, was wir fortbringen? Sehen Sie nur, was auf dem Hof vorgeht!... Mamachen ... das kann nicht sein!«
    Der Graf stand am Fenster und hörte zu. Die Gräfin sah ihre Tochter an und blickte sich dann ratlos um.
    »Macht, was ihr wollt, ich störe ja niemand«, sagte sie. Dann ging sie auf den Grafen zu. »Mein Freund, du hast getan, was recht ist, ich verstehe das nicht«, sagte sie mit gesenkten Augen.
    »Die Eier... die Eier wollen klüger sein als die Hühner«, sagte der Graf unter Tränen und umarmte gerührt seine Frau, welche beschämt ihr Gesicht an seiner Brust verbarg.
    »Papachen, Mamachen, kann ich den Befehl geben?« fragte Natalie. »Wir können immer noch alles Nötige mitnehmen.«
    Der Graf nickte mit dem Kopf, und Natalie eilte durch den Saal und die Treppe hinab in den Hof.
    Die Leute sammelten sich um Natalie und konnten nicht sogleich an den seltsamen Befehl glauben, den sie ihnen überbrachte, bis der Graf selbst im Namen seiner Frau den Befehl bestätigte, man solle alle Fuhren den Verwundeten übergeben und die Kisten in die Speicher stellen. Als die Leute dies begriffen, machten sie sich mit freudiger Dienstwilligkeit an die Arbeit. Der Dienerschaft erschien dies keineswegs sonderbar, sondern, im Gegenteil, sie dachten, es könne nicht anders sein, ebenso wie eine Viertelstunde vorher sich niemand darüber gewundert hatte, daß die Verwundeten zurückbleiben und die Sachen mitgenommen werden sollten.
    Die Verwundeten kamen aus ihren Zimmern hervor und umgaben mit freudigen, bleichen Gesichtern die Fuhren. Auch in den benachbarten Häusern verbreitete sich das Gerücht, es seien Fuhren da, und auch aus den anderen Häusern kamen Verwundete in den Rostowschen Hof. Viele derselben baten, die Sachen nicht abzunehmen, sondern sie nur darauf Platz nehmen zu lassen, aber nachdem man einmal begonnen hatte, die Sachen abzuladen, war kein Halt mehr möglich. Es war ja ganz gleichgültig, ob man alles oder nur die Hälfte zurückließ. Auf dem Hof lagen die Kisten mit Geschirr, mit Bronzen, Bildern, Spiegeln, welche in der vergangenen Nacht so sorgfältig eingepackt worden waren.
    »Vier kann man noch aufnehmen«, sagte der Verwalter. »Ich gebe meine Fuhren auch ab, aber wohin mit den anderen?«
    »Dann lassen Sie meine Garderobe zurück«, sagte die Gräfin. »Dunjascha kann bei mir in dem Wagen sitzen.« Die ganze Dienerschaft war in fröhlicher Aufregung, und Natalie befand sich in einer glücklichen, entzückten Stimmung, wie sie sie lange nicht mehr empfunden hatte.
    »Wohin soll das kommen?« fragten die Leute, indem sie eine Kiste herabschleppten. »Man muß wenigstens eine Fuhre behalten.«
    »Was ist denn darin?« fragte Natalie.
    »Die Bücher des Grafen.«
    »Laßt sie zurück! Wassilitsch wird sie aufbewahren.«
    Der kleine Jagdwagen war ganz voll Menschen, und man wußte nicht, wo Petja Platz finden sollte.
    »Auf dem Bock! Du kannst ja auf dem Bock sitzen«, rief Natalie. Sonja war unaufhörlich beschäftigt, aber in anderer Art als Natalie. Sie schrieb auf den Wunsch der Gräfin alle Sachen auf, welche zurückbleiben sollten, und bemühte sich dabei aber, so viel als möglich zum Mitnehmen zu erhaschen.

191
    Um zwei Uhr standen die vier Equipagen Rostows vor der Unterfahrt, während die Bauernwagen mit den Verwundeten nacheinander zum Hof hinausfuhren. Als die Kalesche des Fürsten Andree an der Haupttreppe vorüberfuhr, erregte sie die Aufmerksamkeit Sonjas, welche mit einer Zofe bemüht war, die ungeheuer hohe Kutsche für die Aufnahme der Gräfin bereitzumachen.
    »Wem gehört diese Kalesche?« fragte Sonja.
    »Wissen Sie das nicht, Fräulein?« erwiderte die Zofe. »Es ist der verwundete Fürst, der bei uns übernachtete und mit uns weiterfährt.«
    »Wer ist es denn? Wie heißt er?«
    »Unser gewesener Bräutigam, Fürst Bolkonsky«, erwiderte die Zofe seufzend. »Man sagt, er sei dem Tode nahe!«
    Sonja sprang aus dem Wagen und lief zur Gräfin. Diese war schon in Reisekleidung mit Schal und Hut. Sie ging erschöpft im Salon umher und erwartete die Dienerschaft, um vor der Abreise zu beten. Natalie war nicht im Zimmer.
    »Mamachen«, sagte Sonja, »Fürst Andree ist hier! Er ist tödlich verwundet und fährt mit uns weiter.«
    Die Gräfin erschrak. »Und Natalie?« fragte sie.
    Sonja und die Gräfin kannten Natalie, und die Angst vor den Folgen, welche diese Nachricht bei Natalie hervorrufen würde, erstickte in ihnen das Mitgefühl für den Menschen, den sie beide liebten.

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