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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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willst du noch alles untergehen lassen, was den Kindern geblieben ist! Du hast selbst gesagt, im Hause seien Sachen im Wert von hunderttausend. Nein, mein Freund, ich kann nicht beistimmen, mache, wie du willst! Für die Verwundeten muß die Regierung sorgen, das wissen sie. Bei Lopuchins ist schon vorgestern alles fortgeführt worden. So handeln vernünftige Leute, nur wir sind Dummköpfe! Erbarme dich wenigstens der Kinder, wenn auch nicht meiner!« Der Graf verließ achselzuckend das Zimmer.
    »Papa, was ist das?« sagte Natalie, welche nach ihm ins Zimmer der Mutter trat.
    »Was willst du?« fragte der Graf ärgerlich.
    »Ich habe alles gehört«, sagte Natalie. »Warum will Mama nicht?«
    »Was geht es dich an?« schrie der Graf.
    Natalie trat ins Zimmer und dachte nach.
    »Papa, Berg ist gekommen«, sagte sie, durchs Fenster blickend.

190
    Berg, der Schwiegersohn Rostows, war schon Oberst und bekleidete die ruhige, angenehme Stellung eines Gehilfen des Generalstabes des zweiten Armeekorps. Er war am 1. September von der Armee nach Moskau gekommen. Obgleich er dort nichts zu tun hatte, hielt er es doch für nötig, sich einen Urlaub zu erbitten, wie alle übrigen taten. Er umarmte den Grafen, küßte Natalie und Sonja die Hand und fragte hastig nach der Gesundheit der Gräfin.
    »Wie geht's?« fragte der Graf. »Was macht die Armee? Zieht sie sich zurück, oder wird eine Schlacht stattfinden?«
    »Nur der ewige Gott kann das Schicksal des Vaterlandes entscheiden. Man weiß nicht, was nun werden wird, aber einen solchen Heldenmut, wie ihn die russische Armee zeigte, kann man sich nicht vorstellen und nicht genug rühmen.« In diesem Augenblick erschien die Gräfin mit ermüdeter und unzufriedener Miene. Berg sprang hastig auf, küßte ihr die Hand und erkundigte sich nach ihrem Befinden.
    »Ja, es sind schwere Zeiten für jeden Russen«, sagte Berg. »Aber warum beunruhigen Sie sich? Sie haben noch Zeit, abzureisen.«
    »Ich begreife nicht, was die Leute tun«, sagte die Gräfin zu ihrem Mann. »Man hat mir eben gesagt, es sei noch nichts bereit, man muß doch Anordnungen treffen.«
    Der Graf stand auf und ging zur Tür.
    »Ich kam mit einer großen Bitte zu Ihnen, Papa«, sagte Berg.
    »Nun?« fragte der Graf stehenbleibend.
    »Ich kam eben bei Jusupows Haus vorüber, der Verwalter kam heraus und fragte, ob ich nicht etwas kaufen wollte. Ich habe dort so eine Chiffonniere und Toilette gefunden, Sie wissen, wie sie Wera immer gewünscht hat, entzückend. Ich möchte sie gern damit überraschen. Ich sehe, Sie haben so viele Bauern im Hof, geben Sie mir wenigstens einen, ich werde gut bezahlen.«
    »Gehen Sie zur Gräfin, ich habe nichts zu sagen«, erwiderte der Graf.
    »Wenn es Schwierigkeiten macht«, sagte Berg, »dann lassen wir es! Ich wünschte es nur zu sehr für Wera.«
    »Ach, macht, daß ihr alle zum Teufel kommt! Zum Teufel! Zum Teufel! Zum Teufel!« schrie der alte Graf. »Mir geht der Kopf in die Runde.« Damit lief er aus dem Zimmer. Die Gräfin brach in Tränen aus.
    »Ja, ja, Mamachen, sehr schwere Zeiten!« sagte Berg.
    Natalie ging mit ihrem Vater hinaus. Im Hof standen noch immer die beladenen Fuhren; zwei derselben waren abgeladen worden, und auf eine derselben stieg ein Offizier, unterstützt von seinem Burschen.
    »Weißt du, warum Papa und Mama stritten?« fragte Petja. Natalie gab keine Antwort.
    »Weil Papachen alle Fuhren den Verwundeten geben wollte«, sagte Petja. »Nach meiner Ansicht ...«
    »Nach meiner Ansicht«, schrie Natalie auf, »ist das eine solche Abscheulichkeit, eine solche Niedrigkeit ... Ich weiß nicht ... sind wir etwa solche Deutschen? ...« Ihre Kehle zuckte vor verhaltenem Weinen, und in der Befürchtung, daß sich die Ladung ihres Zornes umsonst entladen würde, wandte sie sich um und stürmte die Treppe hinauf. Berg saß neben der Gräfin, und der Graf ging mit der Pfeife in der Hand im Zimmer auf und ab, als Natalie mit vor Zorn verzerrter Miene wie ein Sturmwind ins Zimmer stürzte und auf ihre Mutter zuging.
    »Das ist abscheulich! Das ist nichtswürdig!« schrie sie. »Das kann nicht sein, daß Sie das befohlen haben.«
    Berg und die Gräfin sahen sie verwundert an.
    »Mamachen, es kann nicht sein. Sehen Sie, was auf dem Hof vorgeht! Sie bleiben zurück.«
    »Was ist dir? Von wem sprichst du?«
    »Von den Verwundeten! Es kann nicht sein, Mamachen, es wäre unerhört! Nein, Mamachen, das darf nicht sein! Ich bitte, verzeihen Sie mir. Mamachen! Was hilft uns

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